Hongkong

Am Morgen des 14. Septembers stand ich nun vor den Toren Hongkongs, wieder auf mich alleine gestellt, nachdem ich mich von Ghin verabschiedet hatte.

Die Einreise war unproblematisch. Ich wurde überall mit dem Fahrrad durchgelassen. Danach fing der Spaß an. Vom Zoll landet man direkt im Bahnhof, den kann man nur mit dem Zug verlassen, allerdings wurde mir von einem nicht sehr freundlichen Bahnangestellten verkündet, seit 2009 dürfen keine Fahrräder mehr mitgenommen werden. Außen ist Sperrgebiet, nur mit spezieller Genehmigung darf man sich dort selbständig bewegen. Von einer MTR (Bahngesellschaft) Mitarbeiterin wurde ich mit einem „privaten“ Aufzug zu einem Ausgang geführt. Naiv wie ich bin, dachte ich, ich würde jetzt die Genehmigung bekommen und los radeln. Dem war aber bei Weitem nicht so. Der Stempel im Pass war kein Permit, sondern ein Exit Stempel von Hongkong, hier ging es zurück nach Shenzhen, China! Ich fand es ganz schön dreist von der MTR mich einfach wieder nach China abschieben zu wollen.
Auf dem Stückchen Niemandsland erklärte ich einen Hongkonger Beamten, ich könne gar nicht zurück nach China, ich hätte ja kein Visum mehr. Also bekam ich ein „Canceled“ über den Exit Stempel und konnte wieder zurück auf das Hongkonger Hoheitsgebiet und wieder zurück zu den MTR Schalter, diesmal aber zu einer Frau. Diese war freundlicher, verkaufte mir ein Ticket und meinte, ich dürfe das Fahrrad mitnehmen, wenn ich Vorderrad raus nehme. Ich wusste zwar nicht, wie ich dann alles schleppen sollte, aber irgendwie musste es einfach gehen. Dies ist die blödsinnigste Regelung, die ich jemals gehört hatte.

An der Schranke wurde ich wieder von einem Sicherheitsbeamten zurück gepfiffen und plötzlich stand wieder der erste MTR Beamte vor mir, sehr verärgert, er hatte mich doch gerade wieder nach China abgeschoben. So einfach geht es halt nicht. Ich meinte, ich muss hier raus und zwar nach Hongkong. Ich könne mein Vorderrad raus nehmen. Daraufhin ließ er mich in den Zug, sogar mit Vorderrad drin, dafür nur mit Begleitung einer MTR Angestellten und nur eine Station. Das war mir so egal. Ich war froh, dass ich endlich da raus kam, ich sah mich schon wie Tom Hanks in „Terminal“ im Bahnhof wohnen.

So landete ich dann in einer ganz anderen Welt. Schöne Fahrradwege entlang des Meeres, voll von Radler mit neuen, modernen Fahrrädern. Anscheinend sind kleine Räder und Rennlenker jetzt in. Aber keines wird jemals so viele Kilometer drauf haben wie meines!
DSC02835Über die große Naturlandschaft war ich ganz schön erstaunt. Eigentlich habe ich gedacht, Hongkong ist eine einzige riesige, dreckige Stadt. Weit gefehlt! 70% von Hongkong sind Grünflächen.

DSC02836Die meisten im Gebiet der New Territories (NT). Richtig schön angelegte Naturparks oder Country Parks stehen den Stress geplagten Hongkonger zum Ausgleich zur Verfügung.

DSC02837So war es nicht schwer, ein nettes Plätzchen zum Zelten zu finden. Das Beste sieht man auf dem Foto gar nicht: Blitze blanke saubere Toiletten und Trinkwasser!

Ich war mir nicht sicher, ob ich hier überhaupt zelten durfte, darum bin ich schon früh raus und habe mein Zelt zusammengepackt, bevor die ersten Läufer, Wanderer und Radfahrer kamen. Es war Samstag morgen, der Park scheint sehr beliebt zu sein, ständig walked, rennt oder fährt Rad an mir vorbei.

Mein Bedürfnis in die Stadt zu fahren hielt sich in Grenzen. Trotzdem, bleiben konnte ich auch nicht, der Park wurde sehr voll, außerdem wollte ich mal wieder ins Internet.

Auf der Straße außerhalb des Parks waren Schilder, die besagten, Radfahren ist auf dieser Straße an Sonn- und Feiertagen nicht erlaubt. Ich musste lachen, in anderen Ländern (z.B. Kolumbien) werden Straßen am Sonntag für Autos gesperrt. Ich sah, Hongkong hat diesbezüglich noch einiges zu lernen.

Über einen ganz schön hohen Berg, hätte nie gedacht, dass es hier so bergig ist, ging es ans Meer und mit der Fähre hinüber auf die Hongkong Insel, das Herzstück der Stadt. Ohne Probleme konnte ich mein Fahrrad mitnehmen, musste aber ganz schön extra zahlen.

DSC02849Dann wurde ich in den Moloch der Stadt entlassen.

DSC02852Am Anfang konnte ich mich durch den Verkehr schlängeln. Die wirkliche Herausforderung kam, als ich über eine der größten Straßen, die Gloucester Road wollte. Kilometer bin ich auf und ab gefahren. Für Autos gab es Straßenüberführungen, die für Radfahrer gesperrt waren und Fußgänger hatten ihre Brücken mit vielen Stufen. Für Radfahrer war nichts! OK, ein leichtes Rad kann man vielleicht über die Fußgängerbrücke tragen, meines sicherlich nicht. Ich fragte mich, was Rollstuhlfahrer machen. Keine Chance!

Schließlich kam mir ein Einheimischer zur Hilfe. Er führte mich in ein Gebäude, wo ein Aufzug war. Von dort hatte man eine Verbindung zu dem Brückennetzwerk. Er zeigte mir über welche Brücke ich muss, damit ich auf die andere Seite an einem Gebäude lande, das wieder ein Aufzug hat. Das war ganz schön spaßig, wie hätte ich das jemals alleine finden sollen.

Mein Hostel am Causeway Bay hatte ich daraufhin schnell gefunden. Hier wurde ich das erste mal so richtig mit der Unfreundlichkeit der Hongkonger konfrontiert. Das Hostel befand sich auf ein paar Stockwerken verteilt in einem der Hochhäuser. In jedem der Hochhäuser sitzt unten ein Portier. Ich dachte, Portiers sind dazu da, den Leuten zu helfen. Hier anscheinend nicht! Ich wurde nur angemault, er wollte mir nicht mal sagen in welchem Stock die Rezeption des Hostels ist und ließ mich nicht mein Fahrrad im Gang stehen lassen. Es war schon so extrem, dass ich nur noch darüber lachen konnte.

Die Leute im Hostel waren etwas freundlicher, aber auch nicht so, wie ich es von den Hostels in China gewohnt war. Egal, Hauptsache hier gab es Internet, freies WiFi, das ab und zu sogar funktionierte. So hatte ich das erste Mal seit fast 21/2 Monaten wieder Zugang zu meinem Blog.

Am nächsten Tag habe ich zuerst mal ausgeschlafen, bevor ich los bin, einige Sachen zu erledigen. Diesmal aber zu Fuß, nach den Erfahrungen ließ ich lieber mein Fahrrad im Hostel. Das Gebäude ist umzingelt von hunderten von Modedesignergeschäften, alles sündhaft teuer. Wer soll das alles kaufen? Dann unzählige Shopping Center mit Uhren und Juweliere. Später wurde mir gesagt, dass viele Chinesen mit „dirty money“ hier zum Einkaufen kommen. Dem Durchschnitts-Hongkonger geht es nicht so gut. Allein das wohnen ist schon teuer genug.

Es gibt aber endlich auch wieder Buchläden. in China gibt es praktisch keine Lesekultur. Buchläden sieht man nur in Grossstädten, Magazine und Zeitungen gibt es praktisch in China nicht. (Deswegen gibt es wahrscheinlich auch keine Diskussionen über Pressefreiheit, wenn es überhaupt keine Presse gibt. )

Nachdem ich alles so erledigt hatte, es war zwar Sonntag, aber alle Läden waren offen, habe ich mich einfach so treiben lassen. Ich hatte keinen Reiseführer habe aber glaub auch so das meiste entdeckt. Wie z.B. den Man Mo Tempel

DSC02866und die verschiedenen Märkte in den engen Gassen, das sah eher wieder asiatisch aus.

DSC02868Sehr eindrucksvoll war der Apple Tempel über mehrere Stockwerke über die Straße.

DSC02871Er war brechend voll mit Jüngern aus der ganzen Welt. Schon nette Geräte, die es hier zu kaufen gab, aber bei weitem nicht so preisgünstig, wie man erwartet hätte. Mir fiel es nicht schwer, mit leeren Händen wieder hinaus zu gehen.

DSC02889Bei Sonnenuntergang drehte ich noch eine runde im Hafen.

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DSC02901Kam gerade rechtzeitig, als an der Golden Bauhinia Convention and Exhibition Centre die Flagge abgenommen wurde.

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Die Blüte ist ein Wahrzeichen der Stadt.

DSC02910Es war ein Geschenkt der Regierung, als die Stadt 1997 an China überging, wenigstens administrativ. Es ist anzunehmen, dass alle Leute, die zum „Flagge zusammenfalten“ kamen, Chinesische Touristen waren, die einzigen, die sich über die „Wiedervereinigung“ freuen. Hongkonger finden das ganze nicht so toll. Es hatte für sie anscheinend nur Nachteile. Jeder beklagt sich, wie teuer alles seither geworden ist.
DSC02913Weit populärer für alle ist die „Avenue of Stars“ auf der anderen Seite des Victoria Harbour.

DSC02926Hier tummelt sich wirklich alles. Es ist fast nicht möglich Bruce Lee alleine zu fotografieren, ohne ein Tourist im Bild zu haben.

DSC02934Eines der touristischen Hauptattraktionen ist die „symphony of lights“, eine nächtlich  Multimedia Show, bei der mehr als 40 Gebäude auf beiden Seiten des Hafens beteiligt sind.

DSC02954Wirklich spektakulär wie die Laser übers Wasser düsen und die Lichterlinien an den Hochhäusern rauf und runter kletterten. DSC02951Ein Radfahrer aus Hongkong hat sich bei mir gemeldet und mich zu sich eingeladen. Ob das was seriöses ist, habe ich mich gefragt? Er hat anscheinend meinen Blog gesehen. Komisch, da der doch auf Deutsch ist und ich erst am Tag zuvor die Nachricht veröffentlicht hatte, dass ich jetzt in Hongkong bin. Nach ein paar e-mails hin und her, machte er einen netten Eindruck. Nach drei Nächten hatte ich auch genug von dem Hostel und der Stadt, ich wollte mal wieder raus. Osman wohnte in Tai Po, in NT, ca 30km von dem ganzen Trubel weg. Also packte ich mein Fahrrad und machte mich auf dem Weg. Diesmal war es mir egal, ob die Übergegänge für Fahrräder erlaubt sind oder nicht, ich fuhr einfach drauf los. Es war eh kein Verkehr auf den max 200m. So hatte ich schnell und problemlos die Fähre erreicht.

Ich habe schon vom Eisfischen gehört, aber nicht vom „Asphaltfischen“.

DSC02959Der Mann fischt mit einem Nylonfaden am Fährhafen durch ein Loch im Boden.

Dann ging es durch ein wieder anderes Hongkong.

DSC02961Kowloon ist die ärmere Seite des Victoria Harbours. Nach Tai Po musste ich über den Berg, landete wieder in einer sehr schönen, ruhigen Gegend. Osman entpuppte sich mal wieder als ein netter, sehr junger Radfahrer. Er wohnte in einer Art Gartenhaus, klein, aber sehr nette, würde mir auch gefallen. Seine Eltern wohnten in einem Hochhaus in der Nachbarschaft. Dort konnte ich endlich meine Wäsche waschen und wurde ganz prima zum Abendessen eingeladen. Seine Mutter kam aus Malaysien, sein Vater aus Indonesien. Sie wohnen schon seit ca 30 Jahre in Hongkong. Zum Essen gab es verschiedene Gerichte aus China, Hongkong und Indonesien. Sehr lecker. Dazu einen guten Weißwein. Das ist das gute an Hongkong, man bekommt wieder alles. Es ist natürlich alles viel teurer als in China, aber immer noch günstiger als in Deutschland.

Da ich noch einiges erledigen wollte, bevor ich auf die Philippinen geflogen bin, war ich wieder früh auf. Später hat mich Osman’s Mutter in ein Restaurant eingeladen, wo sie sich mit einigen Freundinnen und Kolleginnen traf. Osman war zum Glück auch dabei, der einzige der Englisch gesprochen hat. Obwohl es an einem Werktag vormittags war, war das Restaurant komplett voll und es war groß! Es war nur noch ein Gewusel. Immer wieder wurden kleine Häppchen bestellt, die zwischen allen geteilt wurden.

Leider musste ich wieder in die Stadt, zu zwei Radläden, in einem bekam ich Ersatzteile von Ortlieb, im anderen einen neuen Bremshebel von Magura.

Obwohl ich mit MTR dem Zug und Metro von Hongkong auf dem Kriegsfuß stehe, habe ich beschlossen, mit der Metro zu fahren. Es ist so etwas von unsinnig das Vorderrad raus nehmen zu müssen. Zweimal musste ich umsteigen, einmal war der Weg sehr weit. Man kann das Rad nicht richtig schieben und muss dabei noch das Vorderrad tragen, reine Schikane.

Von dem einen zum anderen Radladen bin ich mit dem Fahrrad gefahren. Es ging praktisch durch den Hafen. Da es keine öffentliche Straße ist, wurde ich von einem Sicherheitsmann begleitet und erfuhr so ein bisschen etwas über den Hafen. Er ist einer der größten in der Welt, 10000 Container werden hier pro Tag abgefertigt. Bei Viz Bike, dem Magura Händler, wurde ich sehr freundlich empfangen, wie ungewöhnlich! Das Päckchen mit dem Bremshebel aus Taiwan war noch nicht da. Sie wollten gerade einen von ihnen nehmen, da kam das Päckchen und alles wurde sofort gerichtet,

DSC02967Dann noch ein Abschiedsfoto, und als Geschenk ein knall orangefarbenes Fahrradshirt und eine blaue Fahrradkette. Es war eine richtige Wohltag, in einer Stadt, wo alle anscheinend genervt sind, wenn man sie was fragt, so nett behandelt zu werden. Natürlich Osman und seine Familie waren auch die große Ausnahme. Ich weiß nicht, was ich ohne sie noch gemacht hätte, bis mein Flieger auf die Philippinen ging.

Dann wieder mit der Metro zurück, war ich froh, als ich wieder in Osmans Häuschen war. Aber nicht lange, sein Vater hat wieder gekocht, sehr lecker.

Natürlich hatte ich Osman von meiner Geschichte an der Grenze und meinen Erfahrungen in der Innenstadt erzählt. Er hat seinem Freund, einem Vorstand einer Fahrradorganisation in Hongkong informiert. Seit Jahren sind sie anscheinend in der Diskussion mit der Stadt und MTR um die Situation für Radfahrer zu verbessern. Meine Geschichte war natürlich ein gefundenes Fressen. Überhaupt, da mich der erste MTR Beamte an der Grenze einfach angelogen hatte. Es ist nicht nicht erlaubt, das Fahrrad mitzunehmen, man muss tatsächlich nur das Vorderrad raus nehmen. Besser nicht nach Gründen fragen, wie so oft im Leben bekommt man keine vernünftige Antwort.

Ich wurde gefragt, ob ich für ein Interview bereit sei. Natürlich, auch wenn meine Zeit hier recht knapp wird. Eine Journalistin hat mich bald darauf angerufen, ein paar fragen gestellt und Fotos aus meinem Blog genommen. Kurz darauf erschien einen Bericht über mich auf der Webseite.

Als Osman und ich uns mit Martin, dem Vorstand an einer MTR Station getroffen hatten, kam noch eine Journalistin und ein Mann von „Green Education“ (oder so ähnlich) mit. Ich habe einfach meine Geschichte nochmals erzählt, auch meine Erfahrungen aus anderen Ländern.  Martin hat ein paar Sachen erklärt. Mit Green Education ging es natürlich mehr über Erziehung, z.B. wie wichtig Verkehrserziehung ist, Erziehung zur Selbständigkeit. Wie positiv Radfahren für Kinder ist, über dieses Thema könnte ich stundenlang reden.

Auch für mich war die Unterhaltung sehr informativ, z.B. habe ich erfahren, dass die Radwege, die ich anfangs erwähnt hatte, von den Briten angelegt wurden und unter der jetzigen Regierung kaum instand gehalten werden. Radfahrer haben hier immer noch keine starke und genügend reiche  Lobby.

Auf dem Rückweg haben wir für mich eine Bike box besorgt.

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Jetzt hieß es alles packen, wiegen, hoffen, dass es nicht zu viel ist. Der erste Flug auf dieser Reise. Ich mag den ganzen Aufwand nicht. Da mein Flug morgens ging und ich sehr früh am Flughafen sein wollte, hat mir Osman ein Großraumauto bestellt. Das sorgte noch für ein paar Herzklopfen, als es am nächsten morgen nicht erschien. Als es sehr knapp wurde, ist Osman zum Taxistand, hat einen Fahrer davon überzeugt, dass die Box auch in ein normales Auto geht. So kamen wir dann immer noch pünktlich zum Flughafen, für einen Abschiedskaffee.

Das Interview war auch schon in der Zeitung. Ich war froh, auf dem Weg auf die Philippinen zu sein. Ich gewann auf einmal ganz schön an Popularität. Meine Aussage wurde krasser dargestellt, als ich es eigentlich meinte. Nu denn, vielleicht lernen sie trotzdem etwas daraus und vielleicht hilft es den Radfahrer ihre Ziele durchzusetzen.

…und noch was

der neue Kalender 2013 ist fertig! Man kann ihn über mich bestellen.

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