Der Norden Queenslands

Am Freitag den 12. April kam ich direkt nach Australien, an die Goldküste geflogen (Kilometerstand: 25144 km). Nachdem ich eine Sendung von „Border Security“ im Fernsehen gesehen habe, wo sie Leute, die z.B öfters einreisen abfangen,  fragte ich mich, ob sie mich überhaupt wieder herein lassen. Das war mal wieder überhaupt kein Problem. Keiner wollte etwas von mir. Auch das Gepäck war gleich da.

Nachdem ich letzte Mal so lange in Coolangatta war, wollte ich  gleich weiter. Zuerst habe ich mich noch von meinen Freunden in Murwillumbah und Linda und Arie

DSC05082in Coolangatta verabschieden. Naja, das dauerte halt auch wieder fast eine Woche. Habe ich es eilig? Eigentlich nicht. Ich habe ein 6 Monatsvisum.

Dann Abschied von den wunderbaren Stränden entlang der Goldküste. Ein Abschiedsphoto in „Surfers Paradies“.

DSC05088Eigentlich bin ich nicht unglücklich, diese Gegend zu verlassen. Es ist mit die am dichtesten besiedelsten Gegend von Australien. Es gibt hier einfach zu viele Leute und viel zu viel Verkehr. Zum Glück aber auch ein gut ausgebautes Radwegnetz. Je näher ich Brisbane kam, desto besser.

DSC05093Bis ich mich tatsächlich im Wald verfahren habe.

Nördlich von Brisbane blieb ich nur noch kurz an der Küste, auf dem Moreton Bay Cycle Way.

DSC05106Eine lange Holzbrücke führte über das Feuchtgebiet, das jetzt nach dem langen Regen besonders nass war. Unglaublich was da alles so kreucht und fleucht, ständig fliegt etwas in die Luft (auch Flugzeuge, der Flughafen ist in der Nähe)

DSC05113und weiter der Küste entlang nach Redcliff

DSC05116Dann bin ins Landesinnere abgebogen und alles änderte sich schlagartig. Je weiter ich von der Küste mich entfernte, desto weniger wurde der Verkehr und desto bergiger würde es.

DSC05130Vorbei sind all die Shopping Centers und Aldi’s, nur wenige Orte kamen, die mehr oder weniger am Aussterben sind. Wenn man Glück hat, gibt es noch eine Tankstelle, die ein bisschen Lebensmittel verkauft.

In einem dieser kleinen Orte, namens Hivesville, merkte ich, dass die Straße, die ich fahren wollte, zwar auf meiner Karte eingezeichnet war, aber nicht auf meinem GPS. Ich fragte die Dame von der Tankstelle, sie meinte, es ist eine „dirt road“, ich würde mit dem Fahrrad durch kommen. Es gibt aber auf den 71km überhaupt nichts, nur Bushland. Für mich hörte sich das alles prima an.  Erfreut fuhr ich los und bald darauf hatte ich endlich wieder das Gefühl, in Australien angekommen zu sein.

DSC05139Diese rote Wege, alles so schön ruhig und still, vielleicht mal ein Känguru, das den Weg kreuzt, das ist für mich Australien.

Hier zeigten sich das vielfältige Angebote der wilden Tiere.

DSC05135Ein Waran wollte meinen Blicken entkommen und kletterte den Baum hoch. Dann der Geruch der Gummibäume, die endlose Weite, wunderbare Plätze zum Zelten. Australien hat noch „Much Space for Freedom“ wie ich es nennen wollte. Hier kann man die Freiheit ungestört ausleben.

DSC05144Und am Abend den wunderbaren Sonnenuntergang genießen, dieses geniale Licht, wenn  die Sonne tief steht. Leider dauerte es ja nur 71km. Danach änderte sich eigentlich vorerst nur der Belag der Straße. Natürlich versuchte ich weitgehendst den Highway zu vermeiden, obwohl da auch nicht viel los war, nicht mehr als auf abgelegenen deutschen Landstraßen. So musste ich auch einige Umwege in Kauf nehmen, da überhaupt die unbefestigten Straße durch die Flutkatastrophen in Queensland schaden erlitten haben. Manchmal habe ich tagelang keinen Laden gesehen. Wasser bekam ich immer genug von LKW Fahrern oder ansässige Bauern, die mir auch Orangen schenkten. Die Ernte war in Vollem Gange. Die meisten Erntehelfer kommen anscheinend aus Korea.

Eines Abends, auf der Suche nach einem Platz, wo ich mein Zelt aufstellen kann, landete ich auf einen „Blaze Aid Camp“. Von Blaze Aid hatte ich schon gehört, aber nur, dass sie Freiwillige suchen. Für was blieb mir bis dahin unbekannt. Jetzt weiß ich’s. Sie helfen Bauern, deren Zäune bei der Flut weg geschwemmt wurden. Diese Zäune, die Viehweiden umgrenzen, können hundert Kilometer lang sein, Das braucht ganz schön Arbeitskraft, diese wieder herzustellen.
In Australien gibt es unzählige von „GreyNormads“, Rentner, die Hab und Gut verkauft haben und mit ihrem Wohnmobil ständig durch die Gegend ziehen. Für sie ist so etwas genial. Hier können sie sich nützlich machen, haben mal wieder so etwas wie ein Soziales Umfeld und anscheinend noch Spaß bei der Arbeit. Dafür dürfen sie ihr Wohnmobil gratis auf dem Camp abstellen und werden dazu noch sehr gut verköstigt. So waren alle einiges älter als ich, außer Chris,

DSC05167ein anderer Radfahrer, der mehr oder weniger absichtlich dort gelandet ist und einen Tag Arbeit gerade hinter sich hatte. Er war aus Rockhampton und war auf einer 3 Wochen Tour. Zuerst wollte ich eigentlich nur eine Nacht dort verbringen, dann dachte ich, einen Tag Arbeit wäre ja auch ganz interessant. Dann hieß es aber, da am nächsten Tag ANZAC Day war, einer der wichtigsten Feiertage in Australien, würde es keine Arbeit geben. Ohne Arbeit zwei Nächte zu bleiben, fand ich dann doch zu unverschämt. Also bin am nächsten Tag weiter,

An ANZAC day wird an die gefallen Soldaten gedacht, vor allem den Gefallenen in Gallipoli, heute Tuerkey, während des ersten Weltkrieges.  Der 25. April ist der Jahrestag der Landung der Australischen und Neuseelaendischen Soldaten. Mit einem „Dawn Service“ fängt der Tag in allen Städten Australiens an und geht genau so militärisch weiter, viele Reden, Paraden, Kranzniederlegungen.  Die alten Veteranen dürfen mit ihren Rollstühlen vorfahren  und werden als Helden gefeiert. Wann ist ein Held ein Held? Und (fast) jeder Australier ist wieder stolz, ein Australier zu sein. Ich mag sie ja sehr, aber in manchen Punkten verstehe ich sie einfach nicht.

Abends durfte ich nicht nur mein Zelt bei einer sehr netten älteren Dame im Garten aufstellen, sondern wurde auch noch zum Abendessen eingeladen.

DSC05173Ihr Mann schaute sich die Paraden aus ganz Australien an. Ich hätte noch einiges gerne hinterfragt, merkte aber bald, das nervt sie nur. Also ließ ich es bleiben.

Das war bei Biloela, das kommt von einer Aborigines  Sprache und heißt „Weißer Kakadu“. Unübersehbar warum.

DSC05179Und vor allem unübehörbar! Unglaublich, was die für einen Krach machen können.

Danach erreichte ich den Capricorn Highway, der parallel zum südlichen Wendekreis geht. Noch war ich etwas höher, das tropische Wetter war noch nicht so zu spüren. Allerdings war das erste mal wieder so richtig Verkehr auf der Straße, ich näherte mich den Kohlenmienen um Emerald.

DSC05191Die Kohle selber wird in langen Zügen, 100 Wagons vorne, in der Mitte und hinten eine Lokomotive, zum Hafen nach Rockhampton transportiert. Stündlich, Tag und Nacht.

Die ganzen Maschinen, die für die Mienen gebraucht werden, werden auf der Straße befördert. Mindestens einmal am Tag kam ein übergroßer Transportkonvoi. Schon alleine die Reifen nahmen fast die ganze Breite der Straße ein, schwindelerregend.

Ich fand zwar immer noch ein Plätzchen zum Zelten, es war aber bei weitem nicht mehr so ruhig. Ca 200km fuhr ich nach Westen, verbrachte einen wunderschönen, geruhsamen Tag in Comet bei Emerald, bei Jenny und Stuart.

Stuart nahm mich zum Saphir schürfen mit. Für ein paar Dollar konnte man sich einen Eimer voll Sand und Kies kaufen und dann auf den großen Fund hoffen.

DSC05194Gefunden haben wir leider nichts, interessant war es trotzdem. Ein älteres Ehepaar saß so da, als ob sie das jeden Tag machen würden, wie in einer Spielhölle, auf der Suche nach dem großen Glück. Um diese touristische Einrichtung sind großen Gruben, wo im Großen nach Saphiren geschürft wird . Es sah aber nicht so aus, als ob auch nur einer davon erfolgreiche gewesen wäre. Für mich gibt es angenehmere Methoden zu Geld zu kommen.

Nach Emerald konnte ich dann endlich dem Highway entfliehen und auf die Gregory Development road.

Zuerst war noch Farmland mit ein paar Dörfern. Hauptsächlich wurde Hirse angebaut, kein guter Platz zum Zelten. Darum fragte ich an einem Bauernhaus. Überhaupt kein Problem, meinten sie, ich solle mir einen Platz um ihr Haus suchen. Sie haben mir auch angeboten in einem Art Container, der mit Zimmer eingerichtet war, zu schlafen, aber wie üblich zog ich mein Zelt vor. Das stellte ich ca 100m vom Haus entfernt auf. Obwohl mir das ja schon gereicht hätte, kam zuerst ein Sessel dazu, dann einen großer Gaskocher, eine ausklappbare Tisch-Bank Kombination aus Plastik und ein Trinkwassercontainer, ein Topf und eine Lampe.

DSC05214Dazu kamen noch 3 frische Eier aus dem Hühnerstall und ein absolut leckerer Nachtisch, Kuchen mit Eiscreme und Vanillesoße. Ging es mir mal wieder gut.

Am nächsten Morgen wollte ich nicht auch noch zum Frühstück aufmarschieren und machte Gebrauch von den mir zur Verfügung gestellten Gegenständen. Ich war eigentlich gerade fertig, da rief es vom Haus herüber, ich solle zum Frühstück kommen. Dann gab es noch Eier mit Speck und Brot. War ich papp satt.

Bevor Karen zur Arbeit ging, gab sie mir noch mein Vesper, zwei belegte Brote mit Huhn und Schinken. Sie haben fünf erwachsene Kinder, nur noch der Jüngste wohnt bei ihnen, sie weiß, wie man Vesperbrote schmiert.

DSC05215Nachdem mir David einiges über die Gegend erzählt hat, bin ich weiter.

Ich wusste, auf den nächsten ca 350km kommt nicht viel, nur das Belyando Roadhouse. Das war ich  am Mittag des nächsten Tages, eine Stelle, wo ich Wasser bekommen hätte sollen. Nur, sie wollten mir meine Wasserflaschen nicht auffüllen, ich könne Wasser für 3,80 die Flasche kaufen, oder sie füllen die Flaschen mit Flusswasser fuer 1 Dollar. Nein, Danke, ich hätte ungefähr 7 Flaschen gebraucht. Als Ausrede hatten sie, dass sie schon so lange keinen Regen mehr hatten. Gar nicht nett fand ich dann, dass sie kurz darauf den Rasensprenger in der knallen Hitze anmachten und auch die Bäume reichlich mit Wasser begossen. Dank sehr netten Autofahrern bekam ich trotzdem noch soviel Wasser, dass es mir, zwar knapp, aber trotzdem die nächsten 2 Tage reichen sollte.

Ich habe dann beschlossen, dort auch nicht zu zelten, sondern habe mich ein paar Kilometer weiter in die Büsche geschlagen.

DSC05221Langsam fing wieder die Gegend an, wo Termiten ihre bizarren Hügel bauten. Diese Insekten gehören nicht zur Familie der Ameisen, sondern eher den Flugheuschrecken und Schaben. Wie dem auch sei, ich stellte mein Zelt lieber etwas abseits von diesen Gebilden auf.

Am nächsten Tag machte ich mir wieder Gedanken über das Wasser, obwohl ich noch welches hatte. Die Straße war befahren genug, ich hätte schon Autos anhalten können und nach Wasser fragen. Dazu hatte ich überhaupt keine Lust. Dann dachte ich, ich könnte es ja als Herausforderung sehen und testen, mit wie wenig Wasser ich auskommen. Das gefiel mir auch nicht, hatte keine Lust zu leiden, ich glaube, aus dem Alter bin ich heraus. Da bei den Gedanken an Wasser mein Mund immer trockener wurde, beschloss ich, lieber nicht mehr daran zu denken.

Nach über 50km hielt ein knallgrünes Angeberauto vor mir am Straßenrand. Der junge Fahrer schien sich nur etwas recken und strecken zu wollen. Zuerst bin ich an ihm vorbei gefahren, habe dann doch wieder umgedreht und ihn gefragt, ob er nicht zufällig etwas Wasser übrig hätte. Fragen kostet ja nicht, einen Versuch war es mir Wert. Darauf hat er sich vielfach bei mir entschuldigt, normaler Weise hätte er immer Wasser dabei, aber er habe erst jetzt sein Auto geputzt und alles Wasser raus. Er könne mir einen Softdrink geben, und reichte mir eine kühle Dose Ginger Ale. So habe ich mich mal wieder getäuscht, es war ein sehr nettes Bürschchen auf dem Weg heim nach Cairns.

Noch besser kam es nach weiteren 20km, gerade richtig zur Mittagszeit: ein neu angelegter Rastplatz mit Regenwassertonne!!! Tische und Bänke waren überdacht und somit im Schatten, auch Toiletten gab es. Dieser Rastplatz war nirgends eingezeichnet, keiner, den ich nach Wasserquellen auf dieser Strecke fragte, hat mir davon erzählt. So war die Freude umso größer. Zuerst habe ich mich mal ausgiebig gewaschen und dann meine Wasserflaschen gefüllt. Dass es nicht als Trinkwasser gekennzeichnet war, störte mich wenig. Das sollte auf jeden Fall bis zum nächsten Tag in Charters Towers, der nächsten Stadt, reichen.

Ich bin dort nicht lange gesessen, da kam ein älteres Paar und machte ausgiebig Picknick. Ich war nicht auf das Hähnchen neidisch, aber das frische, kühle Trinkwasser! Als sie damit auch noch ihr Geschirr abspülten, konnte ich kaum zusehen. Wenn man so auf langen Durststrecken mit dem Fahrrad unterwegs ist, wird man sehr sensibel mit dem Umgang von gutem Wasser. Irgendwie müssen sie meine Gedanken gelesen haben und boten mir das restliche Wasser an. Jetzt war ich wirklich sehr gut versorgt.

Am nächsten Morgen, ich war erst ein paar Kilometer gefahren, fuhr ein Auto langsam neben mir her und ich wurde gefragt, ob alles OK sei, ob ich genug Wasser hätte. Strahlend konnte ich antworten, es sei alles in Ordnung und meine Flaschen seien noch voll. So kenne ich eigentlich die Australier. Wenn mir früher in einer abgelegenen Gegenden ein Auto begegnet ist, hat es sofort gehalten und der Fahrer gefragt, ob ich etwas brauche. Wahrscheinlich ist diese Gegend nicht abgelegen genug.

Ein paar Tage zuvor hatte ich ein Mitglied der Warm Shower list  in Townsville kontaktiert. Er meinte, wenn ich Samstags in Charters Towers wäre, könne ich bei Ihrer Party vorbei kommen, im Garten könne ich auch zelten. Zufällig war ich gerade Samstags in Charters Towers, die erste Stadt. Wie üblich, mein erster Gang in den Supermarkt, was kühles zum Trinken holen. Danach konnte ich weiter überlegen, was ich sonst noch brauche. Dann ging ich zu dem Clubhaus. Zuerst wusste ich nicht, bin ich hier richtig? Es war das Clubhaus der Australian Rebels, einem Harley Davidson Motorrad Club.. Die Adresse stimmte. Ich hatte schon so viele unterschiedliche Leute von der Warmshower Liste getroffen, warum nicht auch noch ein Australian Rebel?

Es war noch keiner da, aber Pete schrieb mir, ich könne den Schlüssel für den Garten beim Nachbarn holen. Das hört sich einfacher an, als es ist. Hier hat es nämlich nirgends Hausklingeln! Man muss sich schon ganz schön laut bemerkbar machen, damit die endlich merken, hier will jemand was.  Dann bekam ich den Schlüssel ohne Probleme, baute gleich mein Zelt im Garten der Australien Rebels auf. War kaum fertig, kam ein Motorrad, grosse, schwarze Harley Night Train, der Fahrer, ärmelloses T-Shirt mit schwarzer Lederweste, stieg ab, zog den schwarzen Helm ab, lächelte mich an „Dorothy?“. Es war Pete, den ich kontaktiert hatte. Ist extra vorbei gekommen, um zu sehen, ob bei mir alles in Ordnung ist. Er musste wieder zurück zu seiner Gruppe, die auf einer Poker-Ralley war, und fragte mich, ob ich mit wollte. Und ob ich das wollte! War natürlich wesentlich schneller als auf meinen Fahrrad! Wahrscheinlich sind wir schon so 50km gefahren gewesen, bis uns die 40 anderen Harley-Fahrer entgegen kamen, schnell umdrehen und mit den anderen zurück. Was für einen Perspektivenwechsel! Wenn ich alleine mit dem Fahrrad unterwegs bin, fehlt mir das Verständnis für die Horden von Motorradfahrer mit ihren röhrenden Maschinen. Wobei Harleys noch den angenehmsten Sound haben.  In der Horde mitzufahren ist natürlich etwas komplett anderes. Motorradfahren ist schon was tolles. Mit einem Motorradhelm ist der Lärm auch sehr gedämpft. Für lange Touren ziehe ich trotzdem das Fahrrad vor, da ich mich nach einem Tag auf dem Fahrrad wesentlich wohler fühle, als nach einem Tag auf dem Motorrad. Aber so eine Abwechslung ist schon fantastisch.

Es war schon witzig, ich mit meinem knall orangen Fahrradshirt zwischen all den schwarzen Lederwesten. Trotzdem war es sehr nett.

DSC05235Man spricht immer vom „Wolf im Schafspelz“, dabei gibt es sicher mehr „Schafe im Wolfspelz“, hinter der Lederkluft, den tätowierten Armen, Hälse und weiß ich was alles, sind sehr nette Leute. Vor allem Pete und seine Freundin Loui

DSC05233Loui kam extra mit einem Pickup, damit sie mich am nächsten Tag mit nach Townsville nehmen kann. Ich habe danken abgelehnt. Es versprach mal wieder ein sehr schöner Tag zu werden und da Townsville am Meer liegt, sollte es weitgehendst bergab gehen. Ich fahre auch so ungern im Auto mit. Später kam mir, wir hätten ja auch das Fahrrad und Gepäck auf das Auto laden können und ich hätte auf dem Motorrad mitfahren können. Egal, wäre ja auch bei meiner Weltumrundung ein bisschen geschummelt gewesen :-).

Ich habe mir Zeit gelassen, habe zwischen drin auf einem Free Camp übernachtet. Von Townsville war ich gleich von Anfang an begeistert. Gleich am Ortseingang konnte ich auf einen Fahrradweg am Ross River entlang. Er tangiert peripher die Innenstadt, geht durch  wunderschöne Parkanlagen, einer sogar mit Schwimmbad.

DSC05242Gratis sogar! Wenn es nicht immer so umständlich wäre, die Badesachen herauszuholen und nachher wieder zu trocknen! Wenigstens wusste ich, eine Dusche ist mir heute noch sicher.

Pete arbeitet immer eine Woche in Mt Isa und ist dann eine Woche daheim in Townsville. Da er noch zwei Tage hier hatte, konnte ich seine Kochkünste genießen.

DSC05243Wirklich fantastisch, da schmeckt sogar mir Fisch. Hier hatte ich zwei wunderbaren Tage mit viel Wein und ausruhen,

Von Townsville an blieb ich an der Küste. Von da ab sollte der Verkehr nicht mehr so stark sein. Dem war auch so, bis auf die ersten 20-30km. Da gab es noch die Roadtrains, Lkws mit 3 oder 4 Anhängern. Sehr unangenehm.

Danach ging es nur noch gerade und eben durch Zuckerrohrfelder. Unglaublich wie viel hier angebaut wird, das zieht sich hoch bis Cairns. Nur ab und zu kamen mal ein paar Bananen. Ich wusste nicht, dass es noch solch ein großer Bedarf an Zucker gibt. Nur in Bundaberg gibt es, glaube ich, eine Destillerie, die Rum daraus macht.

Langsam näherte ich mich der regenreichsten Gegend Australiens. Darum war ich ganz froh, wenn ich solche Schutzduetten fand, mit Tischen und Bänken, wo ich sogar mein Zelt aufstellen konnte.

DSC05254Mittlerweile gab es an jedem Bach, Fluss, etc ein Warnschild wegen den Krokodilen.

DSC05255Eines der wenigen Schilder in Australien, die mehrsprachig ist. Auch auf Deutsch und Chinesisch steht zumindest ACHTUNG darauf.

An einem Tag, ich war nicht besonders gut drauf, eine Baustelle jagte die andere, ich wurde immer angehalten, musste Kolonnen von Autos durchlassen, dabei ging es auch noch  über den einzigen Hügel weit breit, zusätzlich hat es auch noch angefangen zu regnen, habe ich mal wieder einen Radfahrer getroffen. Ich habe ihn sogar gleich wiedererkannt. Patrick aus Kalifornien habe ich schon mal in Neuseeland getroffen. Er war auch Richtung Norden unterwegs, wollte gleich weiter, ich wollte endlich mal überdacht im Trockenen eine Pause machen. Außerdem war meine Laune eh nicht gesellschaftsfähig. Schade eigentlich, ich wäre gerne mal wieder mit jemandem gefahren.

Am nächsten morgen kam ich nach Tully, der Gummistiefelstadt.

DSC05258die Stadt mit dem höchsten Niederschlag, da sind Gummistiefel wirklich angebracht. Ich fuhr gerade so im strömenden Regen durch den Ort, da sah ich Patrick sitzen.

DSC05257an einem netten, trockenen Plätzchen saß er da und frühstückte. Da das das Beste war, was man an solch einem Wetter machen konnte, habe ich mich gerade dazu gesetzt. Trotz des schrecklichen Wetters war  meine Laune erheblich besser.

Als es ein bisschen besser wurde, sind mir die paar hundert Meter zur Tourist Info, haben dann beschlossen, zur Mission Beach zu fahren, erstens, um ein bisschen von dem Highway weg zukommen und außerdem sollte es dort auch nicht regnen.

Und  tatsächlich hat der Regen kurz nach Tully aufgehört und ein wunderbare kleine Straße ging durch den Regenwald. Anscheinend soll es hier Kasuare geben.

DSC05261Wenigstens gab es Hinweisschilder dafür. Das müssen ganz schon große Laufvögel sein, viel größer als Emus. Gesehen haben wir natürlich keine.

Am Abend war es sehr schwierig ein Plätzchen für unsere Zelte zu finden, alles stand unter Wasser. Nach ein Flasche Wein war alles nicht mehr so schlimm.

Auch auf der „Cane-Cutter-Road“ hat es nicht geregnet. Wie der Name sagt hier ist auch alles voll Zuckerrohr. Kleine Eisenbahnschienen, so zwischen „Märklin“ und „Echt“, waren durch das ganze Gebiet gelegt. Größten Teils sah es so aus, als ob sie nicht mehr im Gebrauch wären, aber dann sah man immer wieder Wägen zu den Schienen, in denen das Zuckerrohr gesammelt wurde. Australien ist der zweitgrößte Zuckerexporteur nach Brasilien.

Auf einmal Standen wir vor einem Schloss, Ein spanischer Immigrant namens Paronella hat es nach spanischem Vorbild gebaut. Da es sich um eines der Hauptattraktionen von Nordqueensland handelt, war der Eintrittspreis dementsprechend. Uns genügte ein Blick von der Hängebrücke.

DSC05273Nach all den Regenfällen war der Wasserfall spektakulär. Das Schloss wurde seit der Eröffnung im Jahr 1935 durch Feuer und mehrere Zyklons zerstört und immer wieder neu aufgebaut.

Der Regen nahm kein Ende und nach der „Gummistiefelstadt“ kam die „Regenschirmstadt“ Babinda.

DSC05279Tully und Babinda streiten sich jedes Jahr um die regenreichste Stadt.

Etwas außerhalb wollten wir in einem Park zelten. Wieder einmal stand alles unter Wasser und wir suchten Zuflucht unter einem Dach.

DSC05281Diesmal musste ein Weinkarton mit 2l Wein herhalten. (keine Angst, war danach nicht leer)

Oh Wunder, am nächsten Morgen schien die Sonne! Die ganze Schönheit des Platzes entfaltete sich vor uns! Das versetzte sogar mich noch in die Stimmung den Bach zu erkunden.

DSC05289Kein Wunder, dass der Platz „Boulder“ heißt, der ganze Fluss ist voll von Felsbrocken. Nach all dem Regen rauschte das Wasser nur so in die Tiefe.

DSC05294Ein netter Weg führte durch den Wald, leider doch nicht so gut zum Radfahren, es gab zu viele Stufen und wer will da schon in die Schluchten fallen.

Patrick wollte noch ein Weilchen bleiben, wusste auch noch nicht, wie er weiter fahren möchte, ich hatte für den Abend eine Einladung in Cairns. So gingen wir wieder getrennte Wege,

Es war mal wieder wunderbar im Sonnenschein zu fahren. Allerdings war ich viel zu schnell in Cairns.

DSC05296Es gab eine schöne Esplanade, auch bei Ebbe, doch schnell merkte ich, für die Stadt bin ich 20-30 Jahre zu alt. Die Straßen sind gefüllt mit Jugendlichen, Bars, Souvenirläden, so viel Verkehr, wie vermisste ich die Abgeschiedenheit der Bolders. Ich verstand Patrick, dass er nicht nach Cairns wollte.

Ich glaube, ich habe noch nie so viele Fledermäuse auf einem Baum gesehen.

DSC05300Vor allem wusste ich nicht, was für einen Lärm die machen können.

Mein Verlangen nach einer Dusche war immens, ich stank gottserbärmlich! Es gab schon längere Perioden ohne Dusche, aber wenn immer alles nass ist und man wegen der hohen Luftfeuchtigkeit so schwitzt, ist es echt schlimm. Darum bin ich schnell zu Margaret’s Haus. Außer ein paar Jungs, die hier gerade wohnen, war niemand da. Zuerst unter die Dusche, dann alle Kleider in die Waschmaschine. Bis Margaret kam war ich wieder eine zivilisierte Person.

So konnte ich am nächsten Tag gleich weiter fahren.
Ein Radfahrer aus Cairns ist ein gutes Stück neben mir her gefahren und hat mich über Fahrradtouren ausgefragt. Das war ganz nett und lenkte vom Verkehr ab. Als die Straße schmäler und auch viel schöner wurde, kehrte er um.

Danach folge ein Strand dem anderen.

DSC05308Nur Schade, dass man hier nicht schwimmen kann.

DSC05309Boxjellyfish (giftige Quallen), Krokodile, Haie, einen Tod stirbt man sicher.

Auf meinem Weg immer weiter nach Norden der Küste entlang, vor Daintree, kam mir ein Radfahrer entgegen. Ob ich Dorothee waere? Ja, meinte ich. Es war Dean, er hat ein  Geschäft in Daintree Village, Crocodile Express.

DSC05330Er meinte, ich solle nach Daintree Village fahren und dort auf ihn warten, er wäre gleich wieder zurück. Da ich eh nichts besseres vor hatte, war mir das gerade recht.

Bevor ich überhaupt merkte, dass ich in dem Dorf bin, kam schon eine Frau auf mich zu, ob ich Dorothee wäre? Sie war eine von Dean’s Angestellten und hatte den Auftrag mich in das nächste Boot zu setzen, wie nett. Das Dorf bestand aus etwa zwei Häusern, zwei Souvenirshops, einem Café, einem Campingplatz.  So kam ich in den Genuss mal die Landschaft vom Wasser aus zu sehen, vom Daintree River.

DSC05322Immerhin sahen wir zwei Krokodile.

Wieder zurück war Dean auch wieder da und hat mich zum Mittagessen eingeladen. Das zog sich ganz schön in die Länge, wie es halt so ist, wenn sich zwei Reiseradler treffen. Er gab mir noch Tipps, wo ich mein Zelt aufstellen konnte und hat mir vor den Steigungen gewarnt. Dann zog ich weiter.

Gleich hinter der Fähre, kam die erste Range. Ab hier ist es nur noch eine kleines Straße, die so angelegt wurde, dass es der Landschaft am wenigstens schadet. Ohne viel Eingriff in die Natur ging es steil nach oben und wieder runter.

DSC05338Zumindest hatte man von oben eine schöne Aussicht.
Nach der ersten Range ging ein Weg ab zu einer Bucht. Zelten war hier nicht unbedingt erlaubt, ich war trotzdem nicht alleine und  es war wunderschön.

DSC05346Am Abend bekam ich sogar ein kühles Bier! Es verwundert mich immer, wie man in dieser Abgeschiedenheit kühle Getränke haben kann. Eine Kühlbox mit dem Fahrrad mitzuschleppen ist nicht gerade gebräuchlich.

An die Kasuaren habe ich schon nicht mehr geglaubt, dachte schon, sie existieren hauptsächlich nur noch auf den Achtungsschildern, wie die Kiwis in Neuseeland. Und plötzlich stand einer tatsächlich am Wegesrand,

DSC05356Der Hals und Kopf ist auch wirklich so rot/blau gefärbt und hat auch den komischen Hut auf. Es war allerdings viel kleiner, wie man mir sagte. Trotzdem können sie sehr aggressiv werden, haben sogar schon Menschen getötet, wie mir von einem Ranger bestätigt wurde, der gerade vorbei kam. Darum ist wirklich Vorsicht geboten und Fotografieren nur auf Distanz.

Auch sonst gab es in dem Regenwald viel zu sehen. Mich faszinieren immer die verschnörkelten Luftwurzeln.

DSC05362Nach Cape Tribulation kam ich auf den Bloomfield track, da fing der Spaß erst richtig an.

DSC05366Die Gründe weswegen man nur mit dem Allrad- Auto hier durch kann, sind nicht unbedingt die zahlreichen Bäche, sondern die Steigungen. Man sagte mir aber, mit dem Fahrrad würde ich es schon schaffen. Die wussten nicht, wie schwer mein Fahrrad ist!

Der erste nennenswerte Bach war harmlos.

DSC05367Hier brauchte ich mir nicht lange zu überlegen, ob ich die Schuhe ausziehen soll oder nicht. Da sich einiges Getier darin befinden kann, lieber Schuhe anlassen. Bei dem Wetter sind die Chancen gut, dass sie wieder trocknen.
Mich wunderte eher, dass überall Warmschilder wegen Krokodilen herumstehen, aber keiner hatte bedenken, dass ich mein Fahrrad hindurch schiebe.

Danach ging es los. so steil, so etwas hatte ich selten mitgemacht. Ich musste beim Schieben immer wieder das Fahrrad mit dem Pedal am Schienbein stoppen, sonst waere es gerade wieder den Berg hinunter gerollt. Es war wirklich steil, teilweise durch den roten, feucht Lehm rutschig und das über eine längere Strecke so, 1-2km und das immer wieder.

BloomGPSies2War ich fertig! Habe richtig gezittert. Trotzdem war es wunderschön, habe halt sehr viele Pausen gemacht.
Nach einer der letzten Flussdurchquerungen sah ich einen Mann etwas abseits oberhalb des Wassers sitzen.

DSC05374Ich bin hin und fragte, ob ich mich hier ein wenig ausruhen dürfte. Klar! es war Jass, ich würde ihn einen richtigen Bushman nennen. Ist auch seit ein paar Jahren wohnungslos, lebt weitgehendst im Busch. Als er mir sagte, da hinten hätte letzte Nach zwei gezeltet, habe ich es mir angeschaut und beschlossen, da bleibe ich auch. Es war fantastisch. frei von Krokodilen konnte ich unterhalb von einem kleinen Wasserfall schwimmen und es war absolut ruhig.

Erst am nächsten Tag bin ich dann weiter nach Wujal Wujal. DSC05377
Im Vergleich zu dem, was ich schon durchgemacht hatte, war der Rest einfach, nur einmal kurz schieben, dann war ich am Bloomfield River.

DSC05378Es war zwar eine Fuhrt durch den Fluss gebaut, deswegen war das Wasser nicht so hoch, die Strömung aber ganz schön stark. Es sah auch so aus, als ob irgendwo ein Krokodil auftauchen könnte. Dem war hier zum Glück nicht so,

DSC05379Nach einen kurzen Abstecher zu den Bloomfield Wasserfall, ging es weiter dem Bloomfield Fluss entlang. Hier kommen einige Aborigines Siedlungen, Wujal Wujal, Ayton, etc.

Plötzlich hielt ein Autofahrer an und zeigte mir ein riesiges Krokodil im Fluss.

DSC05384Wussste ich doch, dass es hier Krokodile gibt und ich habe erst wenige Kilometer weiter oben mein Fahrrad durch geschoben! Auch das hatte ich zum Glück überlebt.

Von Wujal Wujal aus war die Straße besser und einfacher, so habe ich es doch noch bis Cooktown geschafft.

DSC05391Herzlich bin ich von Gernot Jander empfangen worden, nein kein Warm Shower, aber ein Couchsurfer. Ein echter Glückstreffer. Er liebt es zu kochen und bereitet mir jeden Tag ein anderes Gericht, nicht nur die gut Deutsche Küche, sondern auch Gerichte aus aller Welt, die er von seinen unzähligen Gästen gelernt hat. Für jemanden wie mich, die jahrelang von 3Minutennudeln gelebt hat, wo vielleicht sich die Marke mal änderte, ist das natürlich sehr faszinierend.

DSC05402Auf langen Märschen und Testfahrten mit meinem Fahrrad habe ich schon viel von der Gegend gesehen.

DSC05407Cooktown ist das letzte Nest vor Cape York, das noch ca 800km entfernt ist, mein nächstes Ziel, der nordöstlichste Zipfel von Australien. James Cook ist hier im Endeavour River gestrandet, nachdem die Endeavour,sein Schiff, auf dem Barrier Reef aufgelaufen ist und beschädigt wurde, Das war 1770, 7 Wochen war er hier, ich hoffe, bei mir wird es nicht so lange.

2340 Leute sollen hier leben. Ich frage mich nur, wo sind die alle? Hier ist absolut nix los. Es gibt ca 5 Bottle Shops, einen Supermarkt ein paar Souvenir Läden, ungefähr 4 Campingplätze, einen interessanten Friedhof und natürlich viele Cook Gedenkstätten. Das Meer wimmelt von fiesen Tieren, wie Boxjellyfish (giftige Quallen), Haie und Krokodile, die nicht nur das Bad sondern gleich das ganze Leben ruckzuck beenden können. Also nicht mal schwimmen kann man hier.

DSC05410Dafür gibt es wunderbare Pflanzen. Auch von der Tierwelt an Land bin ich nicht so begeistert, viele Moskitos und Sandfliegen.

Der richtige Ort um mal eine Pause zu machen und lange Blogeinträge zu schreiben.

Hongkong

Am Morgen des 14. Septembers stand ich nun vor den Toren Hongkongs, wieder auf mich alleine gestellt, nachdem ich mich von Ghin verabschiedet hatte.

Die Einreise war unproblematisch. Ich wurde überall mit dem Fahrrad durchgelassen. Danach fing der Spaß an. Vom Zoll landet man direkt im Bahnhof, den kann man nur mit dem Zug verlassen, allerdings wurde mir von einem nicht sehr freundlichen Bahnangestellten verkündet, seit 2009 dürfen keine Fahrräder mehr mitgenommen werden. Außen ist Sperrgebiet, nur mit spezieller Genehmigung darf man sich dort selbständig bewegen. Von einer MTR (Bahngesellschaft) Mitarbeiterin wurde ich mit einem „privaten“ Aufzug zu einem Ausgang geführt. Naiv wie ich bin, dachte ich, ich würde jetzt die Genehmigung bekommen und los radeln. Dem war aber bei Weitem nicht so. Der Stempel im Pass war kein Permit, sondern ein Exit Stempel von Hongkong, hier ging es zurück nach Shenzhen, China! Ich fand es ganz schön dreist von der MTR mich einfach wieder nach China abschieben zu wollen.
Auf dem Stückchen Niemandsland erklärte ich einen Hongkonger Beamten, ich könne gar nicht zurück nach China, ich hätte ja kein Visum mehr. Also bekam ich ein „Canceled“ über den Exit Stempel und konnte wieder zurück auf das Hongkonger Hoheitsgebiet und wieder zurück zu den MTR Schalter, diesmal aber zu einer Frau. Diese war freundlicher, verkaufte mir ein Ticket und meinte, ich dürfe das Fahrrad mitnehmen, wenn ich Vorderrad raus nehme. Ich wusste zwar nicht, wie ich dann alles schleppen sollte, aber irgendwie musste es einfach gehen. Dies ist die blödsinnigste Regelung, die ich jemals gehört hatte.

An der Schranke wurde ich wieder von einem Sicherheitsbeamten zurück gepfiffen und plötzlich stand wieder der erste MTR Beamte vor mir, sehr verärgert, er hatte mich doch gerade wieder nach China abgeschoben. So einfach geht es halt nicht. Ich meinte, ich muss hier raus und zwar nach Hongkong. Ich könne mein Vorderrad raus nehmen. Daraufhin ließ er mich in den Zug, sogar mit Vorderrad drin, dafür nur mit Begleitung einer MTR Angestellten und nur eine Station. Das war mir so egal. Ich war froh, dass ich endlich da raus kam, ich sah mich schon wie Tom Hanks in „Terminal“ im Bahnhof wohnen.

So landete ich dann in einer ganz anderen Welt. Schöne Fahrradwege entlang des Meeres, voll von Radler mit neuen, modernen Fahrrädern. Anscheinend sind kleine Räder und Rennlenker jetzt in. Aber keines wird jemals so viele Kilometer drauf haben wie meines!
DSC02835Über die große Naturlandschaft war ich ganz schön erstaunt. Eigentlich habe ich gedacht, Hongkong ist eine einzige riesige, dreckige Stadt. Weit gefehlt! 70% von Hongkong sind Grünflächen.

DSC02836Die meisten im Gebiet der New Territories (NT). Richtig schön angelegte Naturparks oder Country Parks stehen den Stress geplagten Hongkonger zum Ausgleich zur Verfügung.

DSC02837So war es nicht schwer, ein nettes Plätzchen zum Zelten zu finden. Das Beste sieht man auf dem Foto gar nicht: Blitze blanke saubere Toiletten und Trinkwasser!

Ich war mir nicht sicher, ob ich hier überhaupt zelten durfte, darum bin ich schon früh raus und habe mein Zelt zusammengepackt, bevor die ersten Läufer, Wanderer und Radfahrer kamen. Es war Samstag morgen, der Park scheint sehr beliebt zu sein, ständig walked, rennt oder fährt Rad an mir vorbei.

Mein Bedürfnis in die Stadt zu fahren hielt sich in Grenzen. Trotzdem, bleiben konnte ich auch nicht, der Park wurde sehr voll, außerdem wollte ich mal wieder ins Internet.

Auf der Straße außerhalb des Parks waren Schilder, die besagten, Radfahren ist auf dieser Straße an Sonn- und Feiertagen nicht erlaubt. Ich musste lachen, in anderen Ländern (z.B. Kolumbien) werden Straßen am Sonntag für Autos gesperrt. Ich sah, Hongkong hat diesbezüglich noch einiges zu lernen.

Über einen ganz schön hohen Berg, hätte nie gedacht, dass es hier so bergig ist, ging es ans Meer und mit der Fähre hinüber auf die Hongkong Insel, das Herzstück der Stadt. Ohne Probleme konnte ich mein Fahrrad mitnehmen, musste aber ganz schön extra zahlen.

DSC02849Dann wurde ich in den Moloch der Stadt entlassen.

DSC02852Am Anfang konnte ich mich durch den Verkehr schlängeln. Die wirkliche Herausforderung kam, als ich über eine der größten Straßen, die Gloucester Road wollte. Kilometer bin ich auf und ab gefahren. Für Autos gab es Straßenüberführungen, die für Radfahrer gesperrt waren und Fußgänger hatten ihre Brücken mit vielen Stufen. Für Radfahrer war nichts! OK, ein leichtes Rad kann man vielleicht über die Fußgängerbrücke tragen, meines sicherlich nicht. Ich fragte mich, was Rollstuhlfahrer machen. Keine Chance!

Schließlich kam mir ein Einheimischer zur Hilfe. Er führte mich in ein Gebäude, wo ein Aufzug war. Von dort hatte man eine Verbindung zu dem Brückennetzwerk. Er zeigte mir über welche Brücke ich muss, damit ich auf die andere Seite an einem Gebäude lande, das wieder ein Aufzug hat. Das war ganz schön spaßig, wie hätte ich das jemals alleine finden sollen.

Mein Hostel am Causeway Bay hatte ich daraufhin schnell gefunden. Hier wurde ich das erste mal so richtig mit der Unfreundlichkeit der Hongkonger konfrontiert. Das Hostel befand sich auf ein paar Stockwerken verteilt in einem der Hochhäuser. In jedem der Hochhäuser sitzt unten ein Portier. Ich dachte, Portiers sind dazu da, den Leuten zu helfen. Hier anscheinend nicht! Ich wurde nur angemault, er wollte mir nicht mal sagen in welchem Stock die Rezeption des Hostels ist und ließ mich nicht mein Fahrrad im Gang stehen lassen. Es war schon so extrem, dass ich nur noch darüber lachen konnte.

Die Leute im Hostel waren etwas freundlicher, aber auch nicht so, wie ich es von den Hostels in China gewohnt war. Egal, Hauptsache hier gab es Internet, freies WiFi, das ab und zu sogar funktionierte. So hatte ich das erste Mal seit fast 21/2 Monaten wieder Zugang zu meinem Blog.

Am nächsten Tag habe ich zuerst mal ausgeschlafen, bevor ich los bin, einige Sachen zu erledigen. Diesmal aber zu Fuß, nach den Erfahrungen ließ ich lieber mein Fahrrad im Hostel. Das Gebäude ist umzingelt von hunderten von Modedesignergeschäften, alles sündhaft teuer. Wer soll das alles kaufen? Dann unzählige Shopping Center mit Uhren und Juweliere. Später wurde mir gesagt, dass viele Chinesen mit „dirty money“ hier zum Einkaufen kommen. Dem Durchschnitts-Hongkonger geht es nicht so gut. Allein das wohnen ist schon teuer genug.

Es gibt aber endlich auch wieder Buchläden. in China gibt es praktisch keine Lesekultur. Buchläden sieht man nur in Grossstädten, Magazine und Zeitungen gibt es praktisch in China nicht. (Deswegen gibt es wahrscheinlich auch keine Diskussionen über Pressefreiheit, wenn es überhaupt keine Presse gibt. )

Nachdem ich alles so erledigt hatte, es war zwar Sonntag, aber alle Läden waren offen, habe ich mich einfach so treiben lassen. Ich hatte keinen Reiseführer habe aber glaub auch so das meiste entdeckt. Wie z.B. den Man Mo Tempel

DSC02866und die verschiedenen Märkte in den engen Gassen, das sah eher wieder asiatisch aus.

DSC02868Sehr eindrucksvoll war der Apple Tempel über mehrere Stockwerke über die Straße.

DSC02871Er war brechend voll mit Jüngern aus der ganzen Welt. Schon nette Geräte, die es hier zu kaufen gab, aber bei weitem nicht so preisgünstig, wie man erwartet hätte. Mir fiel es nicht schwer, mit leeren Händen wieder hinaus zu gehen.

DSC02889Bei Sonnenuntergang drehte ich noch eine runde im Hafen.

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DSC02901Kam gerade rechtzeitig, als an der Golden Bauhinia Convention and Exhibition Centre die Flagge abgenommen wurde.

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Die Blüte ist ein Wahrzeichen der Stadt.

DSC02910Es war ein Geschenkt der Regierung, als die Stadt 1997 an China überging, wenigstens administrativ. Es ist anzunehmen, dass alle Leute, die zum „Flagge zusammenfalten“ kamen, Chinesische Touristen waren, die einzigen, die sich über die „Wiedervereinigung“ freuen. Hongkonger finden das ganze nicht so toll. Es hatte für sie anscheinend nur Nachteile. Jeder beklagt sich, wie teuer alles seither geworden ist.
DSC02913Weit populärer für alle ist die „Avenue of Stars“ auf der anderen Seite des Victoria Harbour.

DSC02926Hier tummelt sich wirklich alles. Es ist fast nicht möglich Bruce Lee alleine zu fotografieren, ohne ein Tourist im Bild zu haben.

DSC02934Eines der touristischen Hauptattraktionen ist die „symphony of lights“, eine nächtlich  Multimedia Show, bei der mehr als 40 Gebäude auf beiden Seiten des Hafens beteiligt sind.

DSC02954Wirklich spektakulär wie die Laser übers Wasser düsen und die Lichterlinien an den Hochhäusern rauf und runter kletterten. DSC02951Ein Radfahrer aus Hongkong hat sich bei mir gemeldet und mich zu sich eingeladen. Ob das was seriöses ist, habe ich mich gefragt? Er hat anscheinend meinen Blog gesehen. Komisch, da der doch auf Deutsch ist und ich erst am Tag zuvor die Nachricht veröffentlicht hatte, dass ich jetzt in Hongkong bin. Nach ein paar e-mails hin und her, machte er einen netten Eindruck. Nach drei Nächten hatte ich auch genug von dem Hostel und der Stadt, ich wollte mal wieder raus. Osman wohnte in Tai Po, in NT, ca 30km von dem ganzen Trubel weg. Also packte ich mein Fahrrad und machte mich auf dem Weg. Diesmal war es mir egal, ob die Übergegänge für Fahrräder erlaubt sind oder nicht, ich fuhr einfach drauf los. Es war eh kein Verkehr auf den max 200m. So hatte ich schnell und problemlos die Fähre erreicht.

Ich habe schon vom Eisfischen gehört, aber nicht vom „Asphaltfischen“.

DSC02959Der Mann fischt mit einem Nylonfaden am Fährhafen durch ein Loch im Boden.

Dann ging es durch ein wieder anderes Hongkong.

DSC02961Kowloon ist die ärmere Seite des Victoria Harbours. Nach Tai Po musste ich über den Berg, landete wieder in einer sehr schönen, ruhigen Gegend. Osman entpuppte sich mal wieder als ein netter, sehr junger Radfahrer. Er wohnte in einer Art Gartenhaus, klein, aber sehr nette, würde mir auch gefallen. Seine Eltern wohnten in einem Hochhaus in der Nachbarschaft. Dort konnte ich endlich meine Wäsche waschen und wurde ganz prima zum Abendessen eingeladen. Seine Mutter kam aus Malaysien, sein Vater aus Indonesien. Sie wohnen schon seit ca 30 Jahre in Hongkong. Zum Essen gab es verschiedene Gerichte aus China, Hongkong und Indonesien. Sehr lecker. Dazu einen guten Weißwein. Das ist das gute an Hongkong, man bekommt wieder alles. Es ist natürlich alles viel teurer als in China, aber immer noch günstiger als in Deutschland.

Da ich noch einiges erledigen wollte, bevor ich auf die Philippinen geflogen bin, war ich wieder früh auf. Später hat mich Osman’s Mutter in ein Restaurant eingeladen, wo sie sich mit einigen Freundinnen und Kolleginnen traf. Osman war zum Glück auch dabei, der einzige der Englisch gesprochen hat. Obwohl es an einem Werktag vormittags war, war das Restaurant komplett voll und es war groß! Es war nur noch ein Gewusel. Immer wieder wurden kleine Häppchen bestellt, die zwischen allen geteilt wurden.

Leider musste ich wieder in die Stadt, zu zwei Radläden, in einem bekam ich Ersatzteile von Ortlieb, im anderen einen neuen Bremshebel von Magura.

Obwohl ich mit MTR dem Zug und Metro von Hongkong auf dem Kriegsfuß stehe, habe ich beschlossen, mit der Metro zu fahren. Es ist so etwas von unsinnig das Vorderrad raus nehmen zu müssen. Zweimal musste ich umsteigen, einmal war der Weg sehr weit. Man kann das Rad nicht richtig schieben und muss dabei noch das Vorderrad tragen, reine Schikane.

Von dem einen zum anderen Radladen bin ich mit dem Fahrrad gefahren. Es ging praktisch durch den Hafen. Da es keine öffentliche Straße ist, wurde ich von einem Sicherheitsmann begleitet und erfuhr so ein bisschen etwas über den Hafen. Er ist einer der größten in der Welt, 10000 Container werden hier pro Tag abgefertigt. Bei Viz Bike, dem Magura Händler, wurde ich sehr freundlich empfangen, wie ungewöhnlich! Das Päckchen mit dem Bremshebel aus Taiwan war noch nicht da. Sie wollten gerade einen von ihnen nehmen, da kam das Päckchen und alles wurde sofort gerichtet,

DSC02967Dann noch ein Abschiedsfoto, und als Geschenk ein knall orangefarbenes Fahrradshirt und eine blaue Fahrradkette. Es war eine richtige Wohltag, in einer Stadt, wo alle anscheinend genervt sind, wenn man sie was fragt, so nett behandelt zu werden. Natürlich Osman und seine Familie waren auch die große Ausnahme. Ich weiß nicht, was ich ohne sie noch gemacht hätte, bis mein Flieger auf die Philippinen ging.

Dann wieder mit der Metro zurück, war ich froh, als ich wieder in Osmans Häuschen war. Aber nicht lange, sein Vater hat wieder gekocht, sehr lecker.

Natürlich hatte ich Osman von meiner Geschichte an der Grenze und meinen Erfahrungen in der Innenstadt erzählt. Er hat seinem Freund, einem Vorstand einer Fahrradorganisation in Hongkong informiert. Seit Jahren sind sie anscheinend in der Diskussion mit der Stadt und MTR um die Situation für Radfahrer zu verbessern. Meine Geschichte war natürlich ein gefundenes Fressen. Überhaupt, da mich der erste MTR Beamte an der Grenze einfach angelogen hatte. Es ist nicht nicht erlaubt, das Fahrrad mitzunehmen, man muss tatsächlich nur das Vorderrad raus nehmen. Besser nicht nach Gründen fragen, wie so oft im Leben bekommt man keine vernünftige Antwort.

Ich wurde gefragt, ob ich für ein Interview bereit sei. Natürlich, auch wenn meine Zeit hier recht knapp wird. Eine Journalistin hat mich bald darauf angerufen, ein paar fragen gestellt und Fotos aus meinem Blog genommen. Kurz darauf erschien einen Bericht über mich auf der Webseite.

Als Osman und ich uns mit Martin, dem Vorstand an einer MTR Station getroffen hatten, kam noch eine Journalistin und ein Mann von „Green Education“ (oder so ähnlich) mit. Ich habe einfach meine Geschichte nochmals erzählt, auch meine Erfahrungen aus anderen Ländern.  Martin hat ein paar Sachen erklärt. Mit Green Education ging es natürlich mehr über Erziehung, z.B. wie wichtig Verkehrserziehung ist, Erziehung zur Selbständigkeit. Wie positiv Radfahren für Kinder ist, über dieses Thema könnte ich stundenlang reden.

Auch für mich war die Unterhaltung sehr informativ, z.B. habe ich erfahren, dass die Radwege, die ich anfangs erwähnt hatte, von den Briten angelegt wurden und unter der jetzigen Regierung kaum instand gehalten werden. Radfahrer haben hier immer noch keine starke und genügend reiche  Lobby.

Auf dem Rückweg haben wir für mich eine Bike box besorgt.

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Jetzt hieß es alles packen, wiegen, hoffen, dass es nicht zu viel ist. Der erste Flug auf dieser Reise. Ich mag den ganzen Aufwand nicht. Da mein Flug morgens ging und ich sehr früh am Flughafen sein wollte, hat mir Osman ein Großraumauto bestellt. Das sorgte noch für ein paar Herzklopfen, als es am nächsten morgen nicht erschien. Als es sehr knapp wurde, ist Osman zum Taxistand, hat einen Fahrer davon überzeugt, dass die Box auch in ein normales Auto geht. So kamen wir dann immer noch pünktlich zum Flughafen, für einen Abschiedskaffee.

Das Interview war auch schon in der Zeitung. Ich war froh, auf dem Weg auf die Philippinen zu sein. Ich gewann auf einmal ganz schön an Popularität. Meine Aussage wurde krasser dargestellt, als ich es eigentlich meinte. Nu denn, vielleicht lernen sie trotzdem etwas daraus und vielleicht hilft es den Radfahrer ihre Ziele durchzusetzen.

…und noch was

der neue Kalender 2013 ist fertig! Man kann ihn über mich bestellen.