Heute, 8. Februar 2014 ist mein zweijähriges Jubiläum. Falls es jemanden interessiert, ich bin bisher 41800km gefahren. Grund genug mal wieder eine Pause einzulegen und was zu schreiben.
Es macht einfach keinen Sinn in Commodoro de Rivadavia zu warten, bis der Wind aufhört, oder wenigstens aus der richtigen Richtung kommt. Nach zwei Tagen wollte ich einfach wieder weiter und fand mich bald wieder an der Ruta 3.
Viel trinken, es wurde wieder ganz schön heiß. Am Anfang konnte ich wenigstens noch fahren, nach ca 16km hielt mich der Wind davon ab. Ich hatte ganz schön genug, wollte eigentlich nicht noch mehr Zeit hier verbringen und habe getrampt. Das ging erstaunlich gut und war dann auch viel interessanter als in der Einöde gegen den Wind anzukämpfen. Es war ein älterer Fahrer, der halb im Ruhestand ist und nur noch die Strecke Commodoro – Trelew für Arzneimittel fährt. Er kannte praktisch alle Straßen in Argentinien und dieses Gebiet besonders gut.
In Trelew war ich zuerst mal sehr froh, dem Wind entronnen zu sein und wieder richtig Radfahren zu können. Diese Stadt wurde von Walisern am Rio Chubut gegründet, hatte so wenigstens ein bisschen Wasser. Heute leben die Leute hauptsächlich von der Schafzucht und von einer Aluminiumfabrik. Viele Erinnerungen an Neuseeland kommen auf, wenn ein Schaftransporter mich überholte.
Von Trelew sind es nur noch ca 60km bis Puerto Madryn, dem Ausgangspunkt für die Peninsula Valdes. Dort kann man einige Seelöwen, Seeelefanten, Pinguine und Wale, wenn man Glück hat, sehen. Ich war vor einigen Jahren schon mal dort, die Zeit der Wale ist jetzt vorbei, es gab nichts, was mich dazu veranlasst hätte, diese 100te von km extra zu fahren.
Trotzdem wollte ich nach Puerto Madryn . Als ich die Stadt so unter mir liegen sah, war ich mir dessen nicht mehr so sicher.
Tief unterhalb am Meer lag sie, das muss ich alles wieder zurück. Zur Abwechslung war es wieder erstaunlich kühl, um nicht zu sagen, ganz schön kalt. Da ich wieder eine Einladung hatte, fuhr ich hinunter und war sehr erstaunt. Endlich mal wieder eine nette Stadt, am Meer, mit sehr schönem Strand, sauber, schönem Plaza und vielen Bäumen.
Weit zog sich der Strand dahin, leider bin ich nicht geschwommen. Am morgen waren nur Leute mit Neopren im Wasser. Lucas, mein Gastgeber, ein ambitionierter FreeDiver, meinte das Wasser hätte nur 7-10 Grad. Als ich am Nachmittag dann doch einige Leute im Wasser sah, prüfte ich es nach. Es war viel wärmer. Vielleicht meinte er in 10m Tiefe, weit außerhalb.
So begnügte ich mich am Spätnachmittag mit dem Fahrrad am Strand entlang zu fahren. Von weitem konnte ich auch die Peninsula Valdes erkennen.
Ein Tag reichte hier, dann ging es weiter. Zum Glück nicht die gleiche Strecke hoch, die ich herunter gefahren bin.
Nochmals einen letzten Blick auf Puerto Madryn, von der anderen, nicht touristischen, Seite. Hier ist die Küstenstraße Ruta1 20km geteert. Erst danach wollte ich wieder auf die Ruta 3. Hier sind die Schotterpisten nicht sehr einladend. Zu viel Staub, den ich an ständig in den Augen habe, da hilft keine Brille. Außerdem war es dort auch nicht abwechslungsreicher, dass ich mehr Zeit als nötig dort verbringen wollte. Lieber schnell auf der Ruta 3 dahin fahren.
Weit kam ich heute nicht. Es war glaub der heißeste Tag, weit über 40Grad zeigte mein Fahrradcomputer, heißer Gegenwind und nirgends Schatten. Obwohl ich mich ständig eingecremt habe, bildeten sich auf meinem Unterarm kleine Bläschen, das Wasser wurde langsam auch knapp. Ich wusste, nach 100km kommt eine Polizeikontrolle, wo ich welches haben kann. Der Verkehr hielt sich in Grenzen und kaum jemand hielt an, anhalten und nach Wasser fragen wollte ich auch nicht. Ich wollte auch nicht per Autostop weiter, möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich nur noch mit Rückenwind fahre, es reicht, wenn ich den Eindruck von mir habe.
Da sah ich ein Lastwagen am Straßenrand stehen. Hier sieht man alles schon viele Kilometer vorher. So schnell es ging, fuhr ich weiter, damit er nicht wieder fort ist bis ich dort bin. Wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Der Fahrer war sehr beschäftigt seinen Reifen zu wechseln, so beschäftigt, dass ich nicht mal unterbrechen wollte um nach Wasser zu fragen. So ein Lastwagen produziert ganz schön viel Schatten, das war Erleichterung genug. Dann half ich ihm noch ein bisschen, soweit ich konnte und als er fertig war und ich endlich nach Wasser fragen konnte, meinte er, ich solle mein Fahrrad aufladen, er könne mich ein kleines Stück mitnehmen. Da sagte ich natürlich auch nicht nein, und erreichte dann doch noch den nächsten Ort, wo er sein Reifen reparieren lassen wollte und ich ein nettes Plätzchen hinter einer Tankstelle, das erste mal mit anderen Zelten, fand. Und hier gab es auch bei weitem genug Wasser.
Mein nächstes Ziel wäre eigentlich Las Grutas gewesen, ein Badeort, von dem jeder schwärmte und Plakate haben dafür geworben.
Nachdem der Wind heute mal wieder nett zu mir war, erreichte ich den Ort sehr früh, ohne Probleme. Es war an einem schönen, sonnigen Sonntag in den Ferien.
So sah es ja noch ganz nett aus mit den weißen Mauern, die die Straße vom Strand trennten. Nachdem ich allerdings über die Mauer schaute…
traf mich der Schlag. So etwas habe ich noch nie gesehen. Wie viele Leute passen auf einen Quadratmeter Sandstrand? Unglaublich. Nichts wie weg hier! Die Fußgängerzone war auch wie in den Mittelmeerländer angelegt, viele Eiscafés und Bars und voll von Leuten. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie es hier auf den Campingplätzen zugeht.
Glücklich war ich zurueck auf der Einöde der Ruta 3, jetzt, wo ich weiß, dass es schlimmeres gibt.
Schon 2000km habe ich hier hinter mir (ca 400km per Auto),
und es hat sich wirklich nicht viel verändert. Außer den ersten (eigentlich den letzten, da ich am Ende gestartet bin) 200km war alles gleich. Wenigstens gibt eine Besserung war schon in Sicht, es gab nun höhere Büsche, hinter denen man gut zelten konnte.
Auf einmal waren auch alle LKWs verschwunden, keine Ahnung wo die die alle gefahren sind. Die Ruta 3 war nur noch ein schmales Strässchen ohne Seitenstreifen. Schön ruhig, aber auch schnurgerade, so ziemlich das am wenigsten inspirierenste Stück, das ich je gefahren bin. Das Abwechslungsreichste war der Wind. Keine Ahnung aus welcher Richtung er eigentlich kam. Wenn es zu sehr von vorne war, einfach Ellbogen auf den Lenker, Kopf runter und durch. Natürlich gab es auch auf den ca 170km eigentlich keinen Ort, wo ich hätte Wasser bekommen können. Wenn da nicht die hilfreichen Straßenarbeiter gewesen wären, die meine Flaschen mit kaltem Wasser aufgefüllt haben.
Um 5:30 bin ich aufgestanden, damit ich noch vor der großen Hitze in Viedma, der nächst größere Ort bin, noch ca 65km. Nicht nur an der Hitze merkte ich, dass ich mittlerweile einige Kilometer nördlich von Ushuaia bin, auch die Tage sind wesentlich kürzer. So früh am Morgen war es noch sehr dunkel. Um 7 Uhr war ich auf der Straße, es war noch sehr kühl und windstill. Nicht mehr lange und der Wind kam wieder aus allen Richtungen. Trotzdem war alles nicht ganz so schlimm. Nach 20km kamen Bewässerungskanäle und die Landwirtschaft fing an. Auch Bäume gab es immer mehr. Diese zählen auch zu den Dingen, wo man erst weiß, was man an ihnen hat, wenn man sie nicht mehr hat. Endlich hatte ich wieder Schatten, vor der Sonne und vor dem Wind. Unglaublich, wie viel das ausmacht.
Von Viedma geht es nur noch über den Fluss Rio Negro nach Carmen de Patagones.
Dank dieses Flusses ist hier Landwirtschaft möglich. Er ist die Grenze zwischen den Provinzen Rio Negro und Buenos Aires. Ab hier ist offiziell Schluss mit Patagonien.
Ganz begeistert war ich von dem relativ alten Städtchen.
überall blühende Bäume, wie hier der Nationalbaum Argentiniens, der Ceibo.
Durch eine List haben die Einwohner die Portugiesen in die Flucht geschlagen und vorher ihre Flaggen beschlagnahmt. Diese kann man jetzt in der Kathedrale bewundern.
Ein sonderbarer Ort für eine Kriegsbeute, meiner Meinung nach. Anscheinend wollten die Brasilianer die Flaggen zurück haben und haben versprochen dafür alle Straßen des Ortes zu teeren. Die Bevölkerung hat dankend abgelehnt.
In der Kathedrale befindet sich auch das Mausoleum des Comandante Luis Piedra Buena, den der geneigte Leser meines Blogs auch schon früher kennengelernt hat.
Es war so heiß, dass ich beschlossen habe, mir einen Tag Ruhe zu gönnen. Mit meiner sehr netten Gastgeberin waren wir zuerst typisch argentinisch mit einem Mate am Fluss.
Die Argentinier gehen nirgends ohne ihr Aufputschgetränk hin. Dafür hat man immer eine Art Tasse, gourd, eine Art Strohhalm, bombilla, eine Thermokanne mit heißem Wasser, das man überall nachfüllen kann, und natürlich die Kräuter dabei. Man trinkt es gemeinsam reihum aus dem gleichen gourd, mit dem gleichen bombilla. An den Geschmack habe ich mich inzwischen gewöhnt und weiß die Aufputschwirkung zu schätzen.
Es war so heiß, dass ich mich fragte, wie ich bei dem Wetter Fahrrad fahren kann. Allerdings merkt man das erst so richtig im Gegensatz zur Kühle innen, wenn man den ganzen Tag auf dem Fahrrad sitzt, fällt es einem nicht so auf und wenn man Glück hat, kühlt auch der Fahrtwind ein bisschen.
Später sind wir an Strand. Für Celestines Freunde war es in der Stadt auch zu heiß und man traf sich am Meer.
So ließ es sich auch aushalten.
Es war ein ganz interessanter Strand, kein Sand, sondern eine Mischung aus kleinen Kieselsteinen und Muscheln, was bei Wind wesentlich angenehmer ist. Drum herum waren Klippen, wie Tafelberge. Wenn man nicht ins Meer wollte, konnte man sich in einem der Pools aalen.
Das beste daran war, es war ca 40km von der Stadt weg und deswegen bei weitem nicht so voll wie in Las Grutas.
Nördlich von Carmen de Patagones war es wieder vorbei mit Grün. Allerdings nur für eine relativ kurze Zeit. ca 150km.
Die Hitze erreichte mal wieder Rekordwerte. Bei dem heißen Wind und der Dürre überlegte ich mir, was passiert, wenn hier ein Feuer ausbricht. Vielleicht hält man deswegen das Gras am Rande der Straße so kurz, es wird zwar alles gleich brennen, aber nicht hoch genug werden, um über die Straße zu springen.
Trotzdem hatte eine Deutscher namens Stroeder den Ehrgeiz, diese Gegend zu besiedeln.
Fast alle Orte auf dieser Strecke feierten letztes Jahr das 100jaehrige bestehen. Mal sehen, ob sie nochmals hundert Jahre durchhalten. In den letzten Jahren wurden sie sehr von der Dürre heimgesucht. Einige Bauern zogen nach Carmen de Patagones um andere Arbeit zu finden. Als ich den Ort besucht habe, war natürlich wieder Siesta und alles ausgestorben. Es sah ganz anders aus als in dem Deutschen Ort Puyuhuapi in Chile. Das einzige, was mich an Deutschland erinnerte waren die herunter gelassenen Rollladen und Geranien. Mir wurde zwar gesagt, dass einige Deutsch reden, habe aber niemand gefunden. Sowieso habe ich eigentlich nur das nette Paar gesehen, das mich auch mit genug Wasser versorgt hat.
Was es allerdings auch noch gab waren Eulen. Obwohl ich diese Vögel noch nie in Natura gesehen hatte, habe ich sie sofort erkannt, so spezifisch sind sie.
Nur ca 50 km nördlich von Stroeder hört die Dürre auf. Der Rio Colorado ist nicht mehr weit und ab Villalonga gibt es wieder Bewässerung.
Hier war es das erste Mal langem, dass ich auf Gras zelten konnte. Der Kanal ging gleich nebenan vorbei, sehr praktisch zum Waschen.
Auch der Verkehr nahm ab da wieder schlagartig zu. Vor allem um all die Zwiebeln abzutransportieren, die hier zur Zeit geerntet werden.
Je weiter nördlich ich kam, desto mehr haben mir die Städte gefallen. Nach Carmen de Patagones kam zuerst Bahia Blanca
mit erstaunlich vielen älteren Gebäuden, wie hier die Bank von Argentinien. Dann Tres Arroyos, das so heißt, weil 3 Bäche daran vorbei fließen, davon habe ich erstaunlicher Weise kein Foto gemacht.
Dazwischen drin immer wieder länger Strecken mit nichts. Wenn ein Tag gut war, der Wind mir wohl gesonnen, war es gut so weit wie möglich zu fahren, denn am nächsten Tag war es meistens anders. So bin ich meistens an einem Tag zwischen 125 und 150 km gefahren, war dann ganz froh, dass ich an dem Tag darauf nur noch 60-70km bis zum nächsten Ort fahren musste, wo ich meistens auch eine Einladung hatte.
Auch wenn der Verkehr nicht sehr stark war, manchmal reichen ein oder zwei Lastwagen aus, um heftiges Herzklopfen zu erzeugen und ich fragte mich, ob unsere Senora de Lujan immer uns beschützen kann.
Es waren meistens „leere“ Tage. Ich bezeichne sie so, weil außer Radfahren nicht viel passiert ist. Es war auch nicht so inspirierend, dass mich ein paar sinnvolle Gedanken davon abhielten, wie viele Kilometer ich noch fahren musste
Bei km 333, hatte ich eigentlich so ziemlich genug. Wen wundert es? Und ich beschloss ab Azul eine andere Strecke zu fahren.
Azul war dann wieder ein nettes Städtchen, zuerst fuhr ich an einem Freibad vorbei, dann an dem herrlichen Strand am Fluss.
Was kann es schöneres geben?
Wie jeder Ort in der Provinz Buenos Aires gibt es eine Kathedrale,
daneben ein Plaza, der meisten San Martin heißt, hier schmückt sogar das Standbild des Freiheitskämpfers den Platz
und daneben das Rathaus.
In Azul bekam ich eine Einladung aus Las Flores, nochmals 114km weiter auf der Ruta 3. Ich musste es mir lange überlegen, ob ich mir das antun soll. Nachdem ich gehört habe, dass die andere Straße sehr schlecht sein soll, ohne Seitenstreifen, mit vielen Schlaglöchern und die Ruta 3 ab da einen guten Randstreifen haben soll, beschloss ich doch, noch ein paar Kilometer auf dieser Straße zu bleiben.
Kaum zu glauben, wie viel so ein Randstreifen ausmacht. Dieser Meter mehr weg von den Autos macht es einfach aus.
Auch wegen den Radfahrern, Marcos und Carolina, die mich in Las Flores eingeladen haben, hat es sich sehr gelohnt hierher zu kommen. Es gibt nicht viele argentinische Radreisende, die zwei sind die einzigen, die jetzt zwei mal ein Jahr unterwegs waren. Jetzt haben sie den besten Radladen, den ich bisher in Argentinien gesehen habe. Ein netter Ort mein zweijährig Jubiläum zu feiern.