Jetzt hat mich doch noch, selbst auf der trockenen, argentinischen Seite der Anden, der Regen eingeholt. Die Berge um mich herum haben eine frische Schneedecke. Es sind nicht gerade angenehme Temperaturen zum Weiterfahren. Lieber noch einen Tag in El Bolson bleiben und Blog schreiben.
Dank der „Bike and Wine“ Touren um Mendoza, gibt es wunderschöne Radwege entlang der Weingärten mit den prächtigen Villen, wo man von einer Weinprobe sich zur anderen hangeln kann. Erst ca 40km südlich von Mendoza kam ich auf die legendäre Ruta 40,
die vom Norden Argentiniens bis nach Ushuaia, ganz im Süden, verläuft. Mehr oder weniger folgte ich dieser Straße die nächsten Wochen. Ein Teil ist nicht geteert, die Hauptroute geht auf einer anderen Ruta durch San Rafael. Bei der Abzweigung fragte ich Polizisten, ob ich mit dem Fahrrad weiter die Ruta 40 fahren könne, sie verneinten es absolut, es wäre viel zu steinig. Da sie mich genau beobachteten, in welche Richtung ich weiter fuhr, war ich lieber gehorsam und blieb schön auf der Straße nach San Rafael, was immerhin einen Umweg von ca 120km bedeutete. Egal, mir war sowieso gerade nicht nach Abenteuer zumute.
Nachdem es nach San Rafael zweimal länger den Berg hinauf ging, war da eine Bank, genau richtig für mich. Da es aussichtslos war, den nächsten Ort zu erreichen, war überhaupt kein Grund zur Eile.
Wie ich da saß, kam auf einmal ein anderer Radfahrer den Berg hoch geschnauft, mit lauter Musik. Oh je! Es war Nigel aus Australien. Einer der wenigen Radfahrern, die noch mehr Gepäck als ich hatten. Unglaublich welcher Berg sich da hinter seinem Sattel auftürmte. Ich musste ihm zuerst mal klar machen, dass er nicht auf der Straße ist, auf der er meinte zu sein. Er wollte zu einem See nicht weit. Es gab eine andere Abzweigung zu dem See in 2 km, dort gab es ein Kiosko, eine Art Cafeteria, wo er erfuhr, dass der Pass, über den er nach Chile wollte, geschlossen war. Nach ewigem Hin und Her beschloss er dann, doch nicht zu dem See zu fahren, sondern mit mir weiter. Na gut.
Die Frau vom Kiosko meinte, dass nicht weit entfernt ein Salzsee kommt, Salar de Diamantina, wo wir gut zelten könnten. Am Anfang war es noch nicht so schön ruhig und idyllisch.
Es wurde noch gearbeitet. Das ganze Salz für Argentinien wird hier abgebaut und alles ist in Privatbesitz. Es muss hier ganz schön reiche Leute geben. Die Arbeiter sind es sicherlich nicht. Sie fangen morgens um 7 Uhr an und arbeiten bis 7 Uhr abends, mit den üblichen 2 Stunden Mittagspause, Siesta. Trotzdem 10 Stunden pro Tag. Sie sind eine Woche hier und haben dann eine Woche frei. Ihre Gesichter sind rotbraun, einmal sicherlich wegen ihrer Herkunft, und auch wegen der starken Sonneneinstrahlung und Reflexion auf dem Weiß des Salzes.
Hier konnte ich auch mein Salzdöschen wieder auffüllen.
Danach war dann mal wieder recht lange nicht gerade spektakuläre Gegend.
40km nur eben, der Wind kam nicht mehr so schön von hinten. Die einzige Abwechslung war eine Tarantella die den Weg kreuzte.
So war ich ganz froh über die Unterhaltung mit Nigel, der sehr viel und laut sprach. In Malargüe war es dann endgültig klar, dass er erst viel weiter südlich nach Chile kann und wir somit noch einige Zeit zusammen fahren werden. (Darum auch wieder mehr Fotos von mir)
Ich bekam eine Mail von Bronwyn aus Wallerawang, Australien, in der sie mir über den Waldbrand in den Blue Mountains berichtete. Die ganze Strecke zwischen Lithgow und Sydney, wo ich erst noch gefahren bin, ist jetzt gesperrt. Einfach furchtbar.
Malargüe ist ein richtiger Ferienort, im Winter zum Skifahren, im Sommer Fahrrad. Es gibt sehr exklusive Sportgeschäfte mit Fahrrädern, deren Preise weitaus höher sind, als man hier in Argentinien vermuten würde.
Der Weg aus dem Ort heraus war ganz nett, auf schön angelegt Fahrradwegen. Dann ging es den Berg hoch, noch höher, der Wind wurde immer stärker. Oben suchten wir einen Schutz zwischen den Hügeln um Mittag zu essen. Nichts ahnend, was uns noch erwartet, klagten wir hier schon über den Wind. Je weiter wir den Berg runter kamen, desto stärker wurde er, natürlich von vorne. Ich musste ganz schön treten. Um manche Kurven war Fahren kaum mehr möglich.
Am Anfang machte Nigel noch dieses Foto von mir, wie eine Sandwolke auf mich zu kam. Das war aber nur der Anfang. Nachdem es mich mehrfach vom Fahrrad geweht hat, schob ich nur noch. Kein Schutz weit und breit. Dann ein Polizeiauto. Der Polizist meinte, es sei zu gefährlich weiter zu fahren, wir sollten auf der Polizeistation schlafen, es wären nur 2-3 km. Das hört sich nicht weit an, aber wir brauchten dafür ca 2 Std, die schrecklichsten auf der ganzen Tour. Der Teer hörte auch noch auf und es war neben Sand und kleine Kieselsteine, die durch den Sturm gegen meine Waden geschleudert wurden. Eine sehr unsanfte Art der Haarentfernung. Es war nicht daran zu denken, irgendetwas aus den Taschen zum Schutz der bloßen Haut, herauszuholen. Da musste ich jetzt einfach durch. Mit am schlimmsten waren die Augen. So viel Sand darin sie taten so weh, dass ich vorzog, sie weitgehendst geschlossen zu halten. Bei all dem Schmerz dachte ich, das ist immer noch besser als im Waldbrand in Australien. Ein Autofahrer hielt an und wollte mich mitnehmen. Da ich dachte, es ist nicht mehr weit und Nigel irgendwo vor mir war lehnte ich ab. Das war nicht so klug. Es dauerte noch Stunden. Irgendwann muss der Sturm von 80-100km/std doch aufhören! Aber das war nicht der Fall. Es gab auch nirgendwo Schutz. Ich wollte einfach nur zur Polizeistation, die doch irgendwann kommen musste. Dann endlich die Brücke, hinter der sie sein musste. Allerdings dachte ich, nie im Leben laufe ich da hinüber, sie war recht lang, mit Sicherheit würde es mich da hinunter wehen. Ein Auto hielt wieder an und ich wollte gerade fragen, ob er mich über die Brücke nehmen kann, da sah ich Nigel, schwankend, wieder zurück kommen. Er meinte, zusammen schaffen wir es über die Brücke und fest mein Fahrrad haltend, gegen den Wind stemmend, sind wir über die Brücke und endlich, nach 2 Std der Schutz. Welch eine Wohltat. Als erstes meine Kontaktlinsen raus! Es war nicht mehr zum Aushalten. Ich konnte sie den ganzen Abend nicht mehr einsetzen, meine Augen mussten sich zuerst wieder erholen. Sogar duschen konnten wir, danach war fast alles wieder in Ordnung, essen und jeder bekam ein Bett. Erst später ließ der Wind nach. Außer uns hat noch ein chilenischer Motorradfahrer in der Station Zuflucht gefunden. Baranca Blanca, wo wir jetzt waren, besteht fast nur aus der Polizeistation. Es hat ca 17 Leute dort. Der Polizist ist nur da um auf irgendwelche Verkehrsbeschwerden -unfälle, -delikte zu warten. Er war glaub ganz froh, endlich etwas Unterhaltung zu haben.
Am nächsten Morgen war wieder strahlend blauer Himmel, kein Wind, als ob nichts gewesen wäre.
60km war noch geteert. Man sah von weitem schon, hier hat es durch die vielen Vulkane viele Verschiebungen auf der Erdoberfläche gegeben. Dann runter in die Schlucht des Rio Grande
was aussah als ob es aus purem Vulkangestein bestehen würde. Danach fing der Schotter an, zuerst wieder raus aus der Rio Grande Schlucht, dann wieder Berg runter. Ich kam nicht weit, dann kippte ich um. Wäre nicht weiter schlimm gewesen, aber ich merkte gleich, mit meinem Gepäckträger stimmte was nicht. Alles Gepäck runter, da war das Problem gleich ersichtlich. Eine Schraube von meinem Gepäckträger war abgebrochen. Oh je, wie das wieder in Ordnung bringen. Nigel konnte zum Glück das abgebrochene Stück heraus drehen. Dann eine neue Schraube rein drehen und als Unterlagsscheibe einen Haken von einem Spanngummi benutzen. Dann war alles, wenigstens provisorisch wieder in Ordnung. Inzwischen kam noch ein junges Paar aus Texas mit deinem Allrad Auto vorbei und versorgte uns mit Wasser.
Ich hatte so ziemlich wieder genug von dem Tag und war ganz froh, als wir bald verfallene Häuser fanden, in deren Schutz wir zelten konnten.
Das Licht während dem Sonnenuntergang war mal wieder phänomenal, da vergisst man schnell den Stress der letzten Tage.
Als wir am nächsten Tag unser Zeltlager verließen, sahen wir, dass es auch hier wilder Tiere gibt
Etwas, das aussah wie ein Meerschweinchen, ich glaube es heißt hier Cuic, saß unter einem Busch. Der Ort an dem wir zelteten hieß El Frisos, außer den verfallenen Häuser war nichts da. Der nächste Ort, El Zampel, war nicht größer,
obwohl er auf meiner Karte eingezeichnet war. Vielleicht ist er wichtiger, da auch hier eine Brücke über den Rio Grande war. Schon dumm, ich hatte in der Zwischenzeit kein Brot mehr, nicht sehr wichtig, aber Gewohnheitssache. Als wir dann endlich in ein Dorf mit Laden kamen, Ranquil der Norte, war Siesta, alles geschlossen, nicht einmal Leute waren auf der Straße. Daran muss man sich gewöhnen. Zwischen 13Uhr und 16 oder 17 Uhr ist alles dicht. Also nur Wasserflaschen füllen und weiter.
Inzwischen gab es auch wieder Teer und schnell ging es runter nach Barrancas, hier beginnt die Region Patagoniens. Hier frischte der Wind auf und keiner von uns hatte mehr richtig Lust.
An einer Tankstelle konnten wir uns mit ein paar Keksen eindecken und nebenan zelten.
Das richtige Dorf war dann nicht mehr weit, vor Siesta waren wir dort und konnten Brot kaufen, wenn es auch nur das einfache Weißbrot war.
Danach ging es praktisch nur bergauf, wenigstens zeitlich. Der Wind kam aus verschiedenen Richtungen und ich hatte das Gefühl er spielt Ball mit mir, oder wie eine Katze mit einer Maus spielt. Hin und her wurde ich geworfen.
Auf dem ersten Berg eine lange Pause und alle Kalorien mussten wieder nachgefüllt werden. Unglaublich, was man so essen kann.
Danach ging es 4km runter um danach wieder 20km hoch zu gehen, wie auf das Dach der Welt. Hohe, schneebedeckte Vulkane und tiefe Schluchten wechselten sich ab. Nigel fuhr weit vor mir, war mir gerade recht, so konnte ich wieder meinen Gedanken nachhängen.
Den Ort wo Häuser stehen, wenn auch verfallen, sieht man schon von weitem, es stehen lauter Pappeln herum. So fanden wir auch heute wieder einen wunderschönen Platz, sehr ruhig oberhalb der Straße und unterhalb des Vulkans Tromen direkt an einem Bach 2 halb verfallene Häuser. In einem konnten wir gut windgeschützt kochen.
In einem konnten wir gut windgeschützt kochen. Trotzdem wurde es ganz schön kalt, da hilft nur noch Schlafsack, einer der schönsten Momente des Tages, am Abend in den schönen, warmen, flauschigen Schlafsack. War kann es schöneres geben.
In dieser kargen Landschaft trafen wir auf Geologen und Ingenieure der Erdölfirma YPF. Schon früher sahen wir immer wieder Erdölpumpen. Diese Leute waren auf der Suche nach neuen Quellen. Anhand der Gesteinsart können sie ermitteln, wo es sich lohnt zu buddeln.
Bei dem Wind könnten sie doch ruhig auch in Windkraft investieren. Aber anscheinend ist das ganze nicht so einfach, da der Wind hier sehr böig ist.
Die Berge westlich von hier heißen „Berge der Winde“, darum ist hier ein stetiger Westwind.
umgeben von mächtigen Vulkanen.
wahrscheinlich habe ich noch nie so viele Vulkane auf einem Haufen gesehen, wie hier.
Dann ging es runter, unter immer weiter runter,
wunderbar und schnell, bis nach Chos Malal, dem ersten größeren Ort am Río Neuquén (der Name auch des Bezirks)und Curi Leuvú. Das erste Mal seit Tagen konnte man mal wieder von Ebene sprechen. Wenigstens für die ersten paar Kilometer, bevor es wieder den Berg hoch ging. Hier ist kaum was los. Es gibt ja auch keine richtigen Dörfer. Die Straße ist dafür ganz schön gut. Ich frage mich, ob sie nur für die YPF (Ölfirma) Tanklastzüge gemacht wurde, oder vielleicht von denen bezahlt, damit sie ihre Ölfelder leichter zugänglich haben. So ist es, wenn es der Wind erlaubt, sehr schön zu fahren und man kann eigentlich überall zelten. Es gibt zwar auch überall Zäune, was ich so gut wie gar nicht verstehe, aber die sind schon so oft unterbrochen, dass man gut ein Loch findet.
Nach Australien ist die Tierwelt hier eher rar. Vor allem was die Vögel betrifft. Aber wenn man Glück hat, sieht man sogar hier ein paar Papagie.
Hier nisten sie in den Löchern der Felsen. Sie machen einen ganz schönen Krach, aber sehen wunderbar aus.
Nach Las Lajas trennten sich unsere, Nigel und meine, Wege. Er fuhr über den Pass nach Chile und ich weiter auf der Ruta 40 nach Zapala, einer größeren Stadt. Seit Tagen plagt mich wieder das Zahnweh. Nicht einmal die Gewürznelke halfen mehr. Ich hatte sie noch von Australien, auch ein Pflanzenprodukt, das ich nicht bei der Einreise deklariert habe, weder nach Chile noch nach Argentinien. Entweder hat es noch niemand gemerkt oder es fällt nicht unter die „gefährlichen“ Produkte.
Nichts desto trotz, ein Zahnarztbesuch stand mal wieder an. Es war Sonntag, Mittagszeit, als ich die Stadt erreicht habe. Das erste mal seit weiß nicht wie lange, dass ich mit einem Hochhaus konfrontiert wurde, es erfreute mich nicht allzu sehr.
Es war Wahlsonntag, schon seit Wochen begleiteten uns die Wahlplakate. Die Straßen waren sehr ruhig, viele Läden waren geschlossen, vor allem durfte bis zum Abend kein Alkohol verkauft werden
Ich war gerade den ersten Hügel am Rande der Stadt hinauf gefahren, da kam ein junger Mann auf mich zugesprungen. Nachdem wir uns 5 Minuten unterhalten haben, soweit es mein Spanisch zuließ, hat er mich zu sich und seiner Familie zum Essen eingeladen.
Es gab Assado, das argentinische Barbecue. Die ganze Großfamilie war versammelt. Großeltern, 7 von 9 Kindern und 4 Enkelkinder. Es wurde einfach noch ein Teller dazu gestellt. Man Spanisch war mal wieder sehr gefordert. Ansonsten kann mach sich auch ohne viele Worte gut verständigen.
Das Beste kam nach dem Essen. Es wurde gesungen. Der jüngste Sohn spielte Gitarre und sang voller Inbrunst argentinische Lieder. Der kleine Enkel wollte es ihm nachtun. Es gelang ihm fast. Die 7 jährige Enkelin hatte es aber voll drauf.
Überhaupt nicht affektiert oder sonst wie unnatürlich. Ich fragte, wo sie das gelernt hat, sie lachten nur und meinten, Sonntags hier. Als der Großvater seinen Betrag geleistet hat war mir alles klar. Nicht jedes Kind wollte singen, das war auch OK, und wenn es falsch war, war immer noch Hoffnung, dass der/die Kleine es schon noch lernen wird. Hauptsache es wurde gesungen. Als ich dann meine Flöte ausgepackt hatte, war ich komplett integriert. Auch wenn meine Musik etwas anders war, Musik verbindet trotzdem. Wir hatten viel Spaß und sie ließen mich nicht mehr gehen. “Me casa es su casa.”
Ich gestand ihnen mein Zahnproblem, was dann gar nicht so ein großes Problem war. In Argentinien sind die Behandlungen in den “Hospitales” gratis, auch für deutsche Radfahrerinnen. Es gibt dort auch Zahnärzte. Nur muss man sehr früh dort sein, vor 7 Uhr, damit man noch einen Termin bekommt. Ich konnte es kaum glauben, bei einem Volk, das nicht vor Mitternacht ins Bett geht.
Eine der erwachsenen Töchter, Marta, hat sich angeboten, mit mir dorthin zu gehen. D.h. Um 6 Uhr aufstehen und los. 20 Minuten vor 7 Uhr war in dem Hospital in ihrem Quartier schon kein Termin mehr zu haben. Also weiter zum Haupthospital. Es war 5 Minuten vor 7 Uhr als wir dort angekommen sind. Die Tür muss gerade aufgemacht worden sein, es war eine Schlange, ich traute meinen Augen nicht. Manche stehen um 4Uhr morgens schon an, um auf jeden Fall dran zu kommen.
Für den Zahnarzt konnten wir den “Nummerziehapparat” umgehen. Marta klopfte direkt beim Zahnarzt an. Nachdem sie der Sprechstundenhilfe meine Geschichte erzählt hatte, musste ich keine 5 Minuten warten bis ein Formular ausgefüllt wurde und vielleicht nochmals 5 Minuten bis ich dran gekommen bin. Ich weiß nicht was besser war, dass ich nichts bezahlen musste, oder der absolut gut aussehende junge Zahnarzt! Der hat sich richtig Zeit genommen. Da ich kaum spanisch kann merkte er wahrscheinlich nicht. Mit offenem Mund spricht es sich sowieso schlecht.
Als wir wieder zurück liefen, war es schon nach 8 Uhr. Marta ärgerte sich bei jedem Schulkind. Für einen Teil der Kinder ist vormittags von 8-12 Uhr Unterricht für den anderen Teil Nachmittags von 13-17Uhr. Niemand scheint pünktlich zu sein und außer Marta scheint es niemanden weiter zu stören. Sie meinte, sie würde viel lieber die Pünktlichkeit und Korrektheit der Deutschen vorziehen.
Zum Mittagessen fand sich wieder fast die ganze Familie ein. Auch der Vater, der mit ein paar seiner Söhne als Maler arbeitet, war wieder zurück. Es wurde aber eher in Etappen gegessen. Ich freute mich richtig, als sie mich spülen ließen. Gestern war ich noch Gast, durfte nichts machen, heute gehöre ich schon zur Familie.
Nach dem Mittagessen, als auch meine Backe nicht mehr taub war, machte ich mich wieder auf. Auch wenn es mir in der Familie sehr gut gefallen hat und alle sehr nett waren, war es auch wieder gut für mich zu sein. Auf die Dauer wäre es mir zu viel Trubel, den ich nicht mehr gewohnt biin.
Weit wollte ich nicht mehr fahren. Ich hatte beschlossen, nach Zapala die Ruta 40 für ein Weilchen zu verlassen. An dem Nationalpark Laguna Blanca fand ich einen wunderbaren, windgeschützten Campingplatz.
Es tat auch gut wieder raus aus der Stadt zu sein und den Sonnenuntergang genießen zu können.
Am nächsten Morgen waren Flamingos im See
Um das größte Stück vor dem Mittagswind hinter mich zu bringen bin ich wieder früh los. Es war gut wieder von der Ruta 40 weg zu sein, obwohl dort nicht sehr viel Verkehr war. Aber es ist einfach interessanter auf kleinen Straßen und Schotterpisten. Der Sandsturm war auch schon wieder halb vergessen und ich war bereit für neue Abenteuer.
Claudia und Jorge,von der Zapala Familie, kannten sich gut in der Gegend aus, deswegen wusste ich ziemlich genau was auf mich zu kam. Sie lachten nur, als sie meinten, ich wollte diese Strecke fahren, mit meinem schwer bepackten Fahrrad. Viel “Ripio” (Schotterpiste) und 10km den Berg hoch. Aber sie stimmten mir zu, diese Strecke wäre viel schöner. So war für mich die Route klar, irgendwie werde ich es schon schaffen.
Es war dann auch gar nicht so schlimm. Auf jeden Fall machte es richtig Spaß wieder mit offenem Mund grinsen zu können (hier hat es keine Mücken) ohne dass mir der kalte Wind das Grinsen mit Zahnweh wieder vergehen lässt.
Hier ist das Land der Gauchos.
Die Einheimischen sind hier noch mehr mit dem Pferd unterwegs. Immer wieder sieht man Häuser, die mit dem Auto nicht zugänglich sind. Autos haben nur Touristen.
Manche Pferde haben Kuhglocken.
Wahrscheinlich gehört das zum Südamerikanischen Karneval, sie wollen sich als Kühe verkleiden.
Weiter oben ändert sich die Vegetation. Hier gibt es Bäume, die anscheinend nur in dieser Gegend wachsen.
Es sind Auracaria, oder so ähnlich. Sehr komisch aussehende Nadelbäume, wobei die Nadeln gar keine richtige Nadeln sind.
Noch ein Stückchen höher und es kam eine der spektakulärsten Abfahrten
Das abenteuerlichste daran war, dass ich immer noch nicht meine Bremsen gerichtet habe. Nur gut, dass so gut wie kein Verkehr war.
Bis hinunter zum Fluss Alumine. Dort traf ich auf einen französischen Motorradfahrer. Er kam aus der anderen Richtung. Zusammen zelteten wir direkt am Fluss
D.h. Ich baute mein Zelt auf, er hängte nur seine Hängematte an die Sträucher über dem Fluss,
Antoine hat mir schon verraten, wie es für mich am Fluss weiterging.
Nur haben die Motorradfahrer, wie die Autofahrer, nicht so viel Ahnung von den Steigungen. So kamen doch einige Überraschungen auf mich zu.
Auch die Steine, Sand und Staub spüre ich wesentlich deutlicher.
Das Schlimmste kam später, die Zäune, über Kilometer hinweg. Manchmal kam ein Tor, das hatte leider ein dickes Vorhängeschloss. Die Gauchos, die ich traf, konnten mir auch nicht weiterhelfen. Das alles gehörte ihrem Patron. Unglaublich, so viele wunderbare Plätze zum Zelten und nicht zugänglich. Wenn es wirklich genutzt ausgesehen hätte, wenn es Viehweiden oder Ackerbau gewesen wäre, hätte ich es ja verstanden. Aber es waren nur Wiesen und Wälder. Richtig ärgerlich. So blieb mir nichts anders übrig, als bis Junin de los Andes weiter zu fahren. Es war schon fast dunkel, bis ich dort auf dem Campingplatz angekommen bin. Der Besitzer hatte wahrscheinlich Mitleid mit mir, hat mich zuerst mal in seine Küche eingeladen, wo er mit einem anderen beim Abendessen saß. Sie haben mir Brot und Wein angeboten und ich machte mir noch meine letzte Packung 3Minuten Nudeln. Die sind hier sehr schlecht zu bekommen, leider.
Inzwischen wurde es dunkel. Als ich mein Zelt aufbauen wollte, ging Dulio, der Besitzer mit mir hinaus und schloss mir einen Schlafsaal direkt an den Duschen auf. Er meinte, ich solle jetzt nicht mehr mein Zelt aufbauen, sondern einfach hier schlafen, für den gleichen Preis. Prima! So habe ich nicht nur Arbeit gespart, sondern hatte es auch schon warm.
Da meine Bremsen dringendst meine Zuwendung brauchten beschloss ich noch einen Tag in dem netten Oertchen mit Bergen und Flüssen zu bleiben.
Deswegen brauchte ich trotzdem mein Zelt nicht aufzustellen, ich konnte noch eine Nacht hier schlafen.
Außer Fischen, vor allem Forellen, was mich nicht gerade reizt, hat der Ort nicht viel zu bieten. Nur den „Via Christi“, die verschiedene Stationen des Lebens Jesus mit Skulpturen im Wald dargestellt. Da ich beschlossen habe, mich auch kulturell mehr zu beschäftigen, bin ich da hin. Und ich muss sagen, es hat mich mehr fasziniert, als ich dachte. Neben den Skulpturen gab es Mapuche Verzierungen.
Es ging nicht nur über das Christentum, sondern auch über die Integration anderer Religionen und Kulturen.
Das beste war aber dies:
Rechts oben in der Ecke eines Reliefs über einen Argentinischen Arzt, fand ich den Fahrrad fahrenden Engel.
Dass das Wetter am Nachmittag schlecht wurde, störte mich wenig, ich hatte ja meine Hütte, in der ich es schön warm hatte
Im Sonnenschein am nächsten Tag zog ich weiter.
Im letzten Blog Eintrag schrieb ich über die Nationalheilige Difunda Correa. Hier tauchen anstatt den Wasserflaschen immer mehr rote Fahnen auf mit einem recht abenteuerlich aussehenden Mann.
Es handelt sich um Gauchito Gil, eine Art argentinischer Robin Hood, der schlussendlich gehängt wurde. Mit dem letzten Atemhauch sagte er zu seinem Henker, wenn dieser ihn anbetet wird sein kranker Sohn wieder gesund (davon gibt es verschiedene Versionen). Dies war dann der Fall und nun ist es auch ein Schutzheiliger für Reisende. Vielleicht sollte ich auch eine Kerze anzünden, damit der eisige Gegenwind aufhört.
Auf dem Weg nach San Martin de los Andesr traf ich auf Loretta Hendrikson, einer der wenigen allein reisenden Frauen, die mehrere Jahre unterwegs sind. Leider war sie in Gegenrichtung unterwegs. So standen wir 2 Stunden am Straßenrand und haben geredet, bis ich total durchgefroren war. Hier gibt es leider nicht alle paar Meter ein Café.
In San Martin hielt ich mich nicht lange auf. Es hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich fahre nicht um die halbe Welt, um in einem Ort zu landen, der aussehen möchte wie Zermatt. Alles viel zu touristisch. Überall wurde ich auf Deutsch angesprochen. Unglaublich wie viele Deutsche hier nun in zweiter Generation leben.
Die Gegend drum herum ist sehr schön. Dies ist auch der Start der Ruta der 7 lagos, der 7 Seen Route.
Außerhalb von San Martin, oberhalb vom See, fand ich einen sehr schönen, ruhigen, winzigen Campingplatz, der einem Mapuche gehört.
Ich meinte, hier sieht es aus wie in der Schweiz und er lachte und meinte, ja, da wo Heidi lebt. Unglaublich, wie bekannt dieses Buch ist. Ein junger Pole, der nun in Australien lebt hat mir gesagt, sein Sohn hat das Buch in 3 Sprachen, Englisch, Polnisch und Deutsch.
Die 7 Seen Route könnte auch genau so die (mindestens) 7 Berge Route heißen. (Zwerge sah ich keine, bin auch nicht Schneewittchen).
Von jedem See aus ging es sehr steil hoch und auf der anderes Seite wieder runter zum nächsten See. Da sie sehr populärer ist, viele Touristen vorbei kommen, hat man diese Strecke einfach als die berühmte Ruta 40 umbenannt. Ein echter Schildbürgerstreich! Die Regierung hat Gelder für die Ruta 40 freigegeben. Da man das Geld auf dieser Strecke wollte, ist diese nun auch die Ruta 40. Leider ist somit auch viel mehr Verkehr hier und es wird sicherlich noch mehr, wenn die letzten 26km Schotterpiste auch noch asfaltiert ist.
Um diese Jahreszeit sind wenigstens noch die freien Zeltplätze so gut wie leer.
Noch halb um den Nahuel Haupi See herum, mal wieder auf schön angelegten Radwegen
ging es nach San Carlos de Bariloche. Auf dem Hauptplatz war einiges los.
Studenten haben auf dem Platz Sachen zum Essen verkauft, dazu gab es Musik und Tanz.Irgendwie musste ich mich mit meinem Rad dort durch kämpfen.
Ich blieb 2 Tage hier, aber nur an einem bin ich in die Stadt zurueck.
Es dreht sich hier einiges um Schokolade, überall kann man verschiedene Arten davon kaufen. Mir war es zu viel, dass mir darauf die Lust verging, was äußerst selten vorkommt.
Das Fahrrad scheint hier nur als Sportgerät akzeptiert zu sein, das auf normalen Straßen nichts zu tun hat. Es war sehr unangenehm hier zu fahren. Zum Glück wohnte meine WarmShower Gastgeberin weit außerhalb und ich konnte noch einen Tag einfach bei ihr mit schönem Blick über den See genießen und all meine Sachen neu richten.
So, mittlerweile bin ich wieder in Chile, Coyhaique, auf der Carretera Austral. Wie es weiter ging, das nächste mal.